“Verlustfrei ins Digitale”Fotograf Ludwig Rauch im Interview
Ludwig Rauch ist seit vielen Jahren als Fotograf im Geschäft. Nach dem Abschluss von zwei Fotografie-Studiengängen – an der Karl-Marx-Universität Leipzig und an der Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Arno Fischer – verließ er Anfang 1989 die DDR und arbeitete als freier Fotograf in Westberlin. Seitdem porträtierte er zahlreiche Figuren aus Kunst, Kultur und Öffentlichkeit – von Sigmar Polke bis Rio Reiser und von Muhammed Ali bis Anna Thalbach. Seit 2009 ist Rauch außerdem Dozent an der Ostkreuzschule und betreut regelmäßig die Abschlussjahrgänge. Für seine neueste Ausstellung in Leipzig digitalisierte und druckte er in den p: berlin laboratories einige seiner Arbeiten.
Du warst bereits zu DDR-Zeiten als künstlerischer Fotograf und Bildreporter tätig, seit 2009 bist du nun Dozent an der Ostkreuzschule in Berlin. Arbeitest du heute auch noch selber künstlerisch?
Ludwig Rauch: Ja, im Moment bereite ich mich auf meine Ausstellung im Museum der Bildenden Künste in Leipzig vor. Sie wird am 12. Oktober eröffnet und trägt den Titel “Porträt und Abstraktion”. Es wird dort einen Raum mit Porträts von Leipziger Künstlern geben. Das stellt einen Bezug zur großen Ausstellung “Bilderkosmos” im selben Haus her, in der Malerei der Leipziger Schule aus den vergangenen 120 Jahren gezeigt wird. Da ich bereits seit 1982 Künstler porträtiere, lag die Idee nahe, dass wir aus meinen Porträts die Künstler auswählen, deren Bilder in der Ausstellung hängen. Dafür sind auch zuletzt noch acht neue Portraits entstanden, so kommen wir jetzt auf 28 Porträts. In zwei weiteren Räumen werden außerdem aktuelle Arbeiten von mir gezeigt, die eher in den Bereich der Abstraktion gehen und die Verbindung zwischen Fotografie und Malerei erkunden.
Was ist die Verbindung zwischen den Porträts? Und gibt es eine inhaltliche Verbindung zwischen den Porträts und den abstrakten Bildern?
Mein erstes Porträt habe ich 1982 gemacht, das zieht sich seither wie ein roter Faden durch mein Schaffen. Ich habe viele dieser Porträts auch auf meiner Webseite. In den letzten 40 Jahren habe ich vor allem immer wieder Künstler dargestellt. Das ist eine Reminiszenz an diesen Arbeitsbereich. Seit Anfang der 90er Jahre beschäftige ich mich in meinen künstlerischen Arbeiten zunehmend mit der Verbindung zwischen Fotografie und Malerei. Also, was kann die Fotografie, das die Malerei nicht kann, und umgekehrt – diese Fragen faszinieren mich.
Du warst kürzlich in den p: berlin laboratories zu Gast und hast Prints für die Ausstellung gemacht. Kannst du etwas darüber erzählen, wie du den Werkstattbesuch und die Arbeit hier erlebt hast?
Die Werkstatt ist mir schon seit einer Weile vertraut und ich finde die Atmosphäre sehr angenehm. Für die Produktion meiner Ausstellung in Leipzig habe ich die Infrastruktur der Werkstatt nun auch wieder genutzt. Meine Bilder sind oft sehr groß, die kleinsten sind etwa 60 cm an der langen Seite, aber viele haben 1,60 m oder sogar 1,80 m Kantenlänge und es ist immer eine Herausforderung, mit solchen Maßen zu arbeiten. In der Werkstatt von p: berlin kann man aber auch mit so großen Formaten wunderbar arbeiten.
An der neuen Digitalisierungsstation kann man unter anderem viele unterschiedliche Vorlagen und Formate bearbeiten. Hast du die Digitalisierungsstation genutzt und, falls ja, hat sie sich in der Praxis für dich bewährt?
Die Flexibilität der Digitalisierungsstation war einer der Gründe, warum ich mich entschieden habe, es bei euch zu machen. Meine frühen Porträts sind zum Teil noch mit Kleinbild und Schwarzweiß fotografiert, natürlich analog. Aber in 40 Jahren ändert sich natürlich die Aufnahmetechnik. Das Material reicht also von Kleinbild über Mittelformat bis hin zur Plattenkamera, also vier mal fünf Inch. Diese Negative, und teilweise auch Positive, habe ich zwar mal gescannt, aber sie haben natürlich nicht immer die Qualität gehabt, die man braucht, um sie in einer Museumsausstellung zeigen zu können. Da war das neue Gerät in der Werkstatt eine sehr gute Option.
Was hat dir besonders an der Arbeitsweise gefallen?
Die wesentlichen Punkte waren zum einen die Geschwindigkeit und zum anderen das sehr einfache Switchen zwischen den Formaten. Man wechselt einfach nur den Filmhalter aus, das sind zwei Handgriffe, und dann kann man sofort mit dem nächsten Format weiterarbeiten. Das finde ich sehr clever gelöst und es geht vor allem sehr schnell. Effizienz ist ein großes Thema bei unserer Arbeit und es ist wirklich sensationell, wie schnell das geht, wenn man die Einstellung einmal hat. Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich von Haus aus mit Phase One und Capture One bereits Erfahrungen habe. Aber Alexander Schippel war als Werkstattleiter auch vor Ort und hat mir wenn nötig sehr gut weitergeholfen und mich angeleitet.
Was geschieht mit den Daten nach der Digitalisierung?
Die Datei, die man erhält, ist sehr groß – sie enthält sicher ebenso viele Informationen wie ein altes Negativ und das reicht bei weitem für alles aus, was man damit dann im Print machen will. Die Daten werden mit dieser hochqualitativen Digitalisierungstechnik quasi verlustfrei aus der analogen Welt ins Digitale übersetzt. Man muss dann natürlich noch Zeit für die Nachbearbeitung investieren, wenn man ein optimales Ergebnis will. Ich habe mir die Dateien mit in mein Atelier genommen und dort bearbeitet, genauso, wie ich es mit analogen Negativen auch mache. Als alles fertig war, bin ich dann wieder hergekommen und habe hier in der Werkstatt alles ausgedruckt.
Du bist auch Dozent an der Ostkreuzschule – ist ein Angebot wie die p: berlin laboratories für deine Schüler:innen wichtig, wo sie Zugang zu High-End-erhalten?
Ich habe den Studierenden ans Herz gelegt, dass sie ihre Arbeiten bei p: berlin drucken können. Die Werkstatt von p: berlin ist einfach ein verlässlicher Ort, um seine Abschlussarbeit zu drucken. Hier werden die Geräte fachkundig betreut und regelmäßig gewartet.
Du bist schon lange in der Fotografie-Szene unterwegs und kennst sowohl den Nachwuchs als auch Leute, die schon lange im Geschäft sind. Welche Rolle spielt aus deiner Sicht ein Verein wie photography unlimited e.V. und welche Funktionen kann er in diesem Kosmos erfüllen, der mit großen Herausforderungen zu kämpfen hat?
Ich finde schon allein mit dem Ort, der hier geschaffen wurde, ist eine interessante Institution, ein spannendes Umfeld entstanden. Generell ist Schöneweide immer eine Reise wert für Foto-Interessierte. Ich denke, das kann sich hier zu einem super Treffpunkt vor allem auch für die jüngeren Fotograf:innen entwickeln. Und die Möglichkeit, hier für einen extrem sportlichen – also geringen – Beitrag seine Archive zu digitalisieren und hochqualitative Drucke zu machen, ist natürlich auch ein Faktor. Ich glaube, dass das hier ein sehr guter Ort für den Austausch ist und ein Treffpunkt für die Szene werden kann.
In der künstlerischen Fotografie wird es zunehmend schwieriger, weil es einen wachsenden kommerziellen Druck gibt. Sind Initiativen wie der Verein photography unlimited e.V., die aus der Szene heraus entstehen, aus deiner Sicht ein guter Weg, um sich für die Zukunft zu rüsten und die Herausforderungen solidarisch anzugehen?
Das ist ein Riesenthema, wo fängt man da an? Als die Pandemie kam, hat man sehr schnell gemerkt, welche finanziellen Schwierigkeiten plötzlich auf viele Fotograf:innen zukamen. Es gab keine Veranstaltungsfotografie mehr und für die Studierenden gab es auch keine Nebenjobs mehr. Junge Fotograf:innen wurden von einer Minute auf die andere teilweise ihrer Existenz beraubt, weil sie keine Möglichkeiten hatten, Geld zu verdienen. Nun kommen der Krieg und die Energiekrise hinzu – der finanzielle Druck wird immer höher und viele Fotograf:innen leiden sehr darunter. Daher sind Angebote wie die Werkstatt von p: berlin, in der man zum kleinen Preis Top-Technik nutzen kann, sehr wichtig in diesen Zeiten. Denn viele Fotografierende können es sich auf Dauer nicht leisten, ihre Arbeiten in große Labore zu geben. Aber es kommen natürlich noch viele weitere Aspekte hinzu – etwa, was an Honoraren gezahlt wird und wo es überhaupt noch Aufträge im Bereich sozial-dokumentarischer Fotografie gibt. Die Zeiten sind im Moment schwierig und ein Angebot wie das von p: berlin hilft sicher vielen, die trotzdem weitermachen und ihre Arbeiten ausstellen wollen.