"Wir sind nicht an Oberflächlichkeit interessiert"Modefotografin Rachel Israela im Interview

Freitag, 17. Februar 2023
Die Fotografin Rachel Israela gehört in den p: berlin laboratories zu den Nutzer:innen der ersten Stunde. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen bei p: berlin, ihre Arbeit als Fashion-Fotografin und über Diversity in der Branche.

Du bist regelmäßig in der Werkstatt von p: berlin. Woran arbeitest du dort und welche Arbeitsbereiche nutzt du am häufigsten?

Rachel Israela: Ich bin seit der Eröffnung der Werkstatt regelmäßig dort und mache alles, vom Scannen am Flextight Scanner über Drucke für Ausstellungen bis zum Color Print Lab mit der RA4-Maschine, die ich in letzter Zeit häufig nutze. Außerdem habe ich auch bereits die neue Digitalisierungsstation genutzt.  

Wie waren deine bisherigen Erfahrungen in der Werkstatt? Funktioniert das Arbeiten dort gut für dich?  

Ich kenne Alexander schon sehr lange und kann mit ihm in der Werkstatt gut arbeiten. Wir sitzen oft auch einfach zusammen, unterhalten uns und trinken mal einen Wein – es ist also eine sehr entspannte und vertraute Atmosphäre. Insgesamt kann ich in der Werkstatt sehr produktiv sein, weil ich dort immer zur Ruhe komme. Man wird kaum gestört und kommt so richtig ins Arbeiten. Manchmal trifft man auch andere Leute, mit denen man sich austauschen kann oder gemeinsam Pause macht. Insgesamt mag ich die Atmosphäre dort sehr und arbeite sehr gern dort.  

Du hast gerade gesagt, dass du oft an der RA4-Entwicklungsmaschine arbeitest. Bevorzugst du diesen Prozess gegenüber dem Scannen? Wo liegen die Unterschiede und was macht die Techniken für dich aus?  

Das Arbeiten an der RA4-Maschine ist ein ganz anderer Prozess, quasi die ursprüngliche Technik. Denn diese Art der Entwicklung hat es ja bereits lange vor dem Scannen gegeben und sie hat eine ganz andere haptische Qualität. Man kann andere Tiefen in den Farben erreichen, man kann selber an den Farben feilen, filtern und pre-flashen, wobei dem Bild ein bestimmter Grundton gegeben wird. So lassen sich zum Beispiel Hauttöne viel besser ausarbeiten. Außerdem kann ich damit das Colorgrading machen, bevor ich am Computer sitze. Das funktioniert mit dem Scanner nicht, weil dort mit einem Laser das Korn an sich eingescannt wird, wodurch eine ganz andere Schärfe entsteht als wenn ich das Negativ auf Papier bringe. Das ist auch etwas, das ich daran extrem schön finde: Dass die Bilder nicht einfach irgendwann wertlos auf dem Rechner landen, sondern dass man sich wirklich mit der Möglichkeit des Negativs und des Prozesses beschäftigt. Das ist die Kunst und es hat auch etwas sehr handwerkliches, weil ich wie ein Tischler ein Objekt schaffe und nicht nur eine Datei.

Du nutzt die Werkstatt zum Selbstkostenpreis und kannst dort auf modernstes Equipment zugreifen – wie siehst du als Fotografierende den Verein p: berlin und seine Arbeit?

Ich finde es total genial und ich schätze die Arbeit, die in dem Projekt steckt. Die Fotobranche kann eine ziemliche Ellenbogenbranche sein und die Preise für alles steigen kontinuierlich an. Dadurch ist es für viele Leute inzwischen kaum noch möglich, auf diese Art und Weise zu arbeiten. Viele steigen direkt auf die Digitalfotografie um, weil das viel kostengünstiger ist. Gleichzeitig gibt es kaum noch Freiräume, um an persönlichen Projekten zu arbeiten. Daher finde ich es sehr schön, dass es mit p: berlin eine Organisation gibt, die Fotografierende unterstützt und sich dafür einsetzt, dass alle Techniken ihre Existenzberechtigung haben und zugänglich bleiben.

Worum geht es bei deiner eigenen Fotografie? 

Ich arbeite hauptsächlich im Bereich Mode und Porträt und kombiniere das auch gern. Meinen Stil würde ich als sehr ruhig und kinematografisch beschreiben. Ich nutze meist eine Mittelformatkamera und versuche, wenn ich Porträts mache, immer eine persönliche Verbindung zu den Protagonist:innen aufzubauen. Ich recherchiere im Vorfeld zu den Personen und führe auch längere Gespräche. Das liegt mir eher, als reinzukommen und im Schnelldurchgang ein paar Fotos zu schießen. Außerdem arbeite ich seit zwei Jahren mit meinem Partner Fede Reyes zusammen. Wir waren früher in der gleichen Agentur, darüber haben wir uns kennengelernt, und arbeiten jetzt als Fotoduo Studio Reyes & Israela  gemeinsam.  

Gibt es etwas bestimmtes, das du festzuhalten versuchst? Lässt sich ein roter Faden erkennen, der deine Arbeiten durchzieht? 

Wir versuchen einfach immer, eine gewisse Tiefe in unseren Themen zu haben. Wenn wir Fashion machen, wollen wir nicht einfach nur irgendwelche Klamotten oder schönen Leute fotografieren, sondern wir suchen immer eine Story, die wir erzählen können. Wir sind nicht so sehr an Oberflächlichkeit interessiert.  

Kannst du ein Beispiel nennen? 

Es wird heute viel über Diversität gesprochen, aber oft steckt wenig dahinter. Wir legen immer sehr viel Wert darauf, dass nicht nur vor der Kamera Diversität stattfindet, sondern auch in unserem Team. Wir wollen niemanden als Token benutzen, wenn wir Bipoc oder Menschen aus der Queer-Szene fotografieren, sondern Vielfalt auch in unserer Arbeit leben. Und dazu gehört auch, dass wir uns für Models interessieren, die etwas zu sagen haben oder eine Geschichte repräsentieren und nicht nur “Bambi-Models”.  

Könnt ihr euch mit diesem Ansatz im kommerziellen Umfeld der Modebranche durchsetzen oder ist es manchmal schwierig, die eigenen Ansprüche und die Interessen der Kunden zu vereinbaren?  

Es beinhaltet auf jeden Fall, sehr viel in die Richtung zu Pushen. Wir versuchen immer, unseren Kunden den Ansatz so gut es geht zu erklären.  Aber heute wird es einfacher und ist oft auch explizit gewünscht, sich mit Themen wie Diversität auseinanderzusetzen. Deutschland hinkt da vielleicht etwas hinterher, aber international ist es mittlerweile eigentlich etabliert. Das größte Problem in der Zusammenarbeit mit kommerziellen Kunden ist für mich eigentlich, dass man immer wegen der eigenen Bildsprache gebucht wird, das meiste dann aber doch schon vorher entschieden ist. Wir versuchen trotzdem immer, soweit wie möglich unseren künstlerischen Gedanken durchzusetzen.  

Wie ist es, wenn man mit seinem Partner zusammenarbeitet? Habt ihr eine strikte Arbeitsteilung, inspiriert ihr euch gegenseitig?  

Es funktioniert bei uns extrem gut. Wir müssen manchmal aufpassen, dass wir nicht rund um die Uhr arbeiten, sondern uns auch mal eine Auszeit nehmen und etwas komplett anderes machen. Und bei der Arbeit machen wir eigentlich alles zusammen, wir haben nichts zwischen uns aufgeteilt. Von den Moods bis zum Fotografieren am Set machen wir beide alles und ergänzen uns dabei sehr gut. Wenn zum Beispiel einer von uns gerade völlig fokussiert ist und nur durch den Sucher schaut und der andere etwas neues entdeckt, tauschen wir einfach kurz die Kameras und schon entstehen neue Perspektiven und Ideen. Wir arbeiten dann quasi mit zwei Gehirnen und vier Augen, das ist immer sehr cool.  

Woran arbeitet ihr gerade, gibt es Projekte, auf die wir uns in Zukunft freuen dürfen? 

Wir planen gerade eine neue Porträtreihe. Mein Partner kommt aus Mexiko City und wir wollen Leute aus Latein- und Mesoamerika porträtieren, die hier in Berlin leben.  Darauf freuen wir uns schon und das wird sicher spannend.  

 

Interview: Sven Stienen

 

Vita: Rachel Israela ist eine Porträt- und Modefotografin, die in Berlin und Mexiko-Stadt lebt und arbeitet. Sie war mehrere Jahre Teil eines Musik- und Designkollektivs mit Schwerpunkt auf elektronischer Musik, mit dem sie an zahlreichen Projekten und Ausstellungen weltweit aktiv war. Außerdem ist sie als Foto-Agentin für die Licensing Agency Connected Archives tätig.

Seit 2020 arbeiten Rachel Israela und Fede Reyes (Studio Reyes & Israela) als multimediales Künstlerduo mit den Schwerpunkten Fotografie, bewegte Bilder und Lichtinstallationen.

http://rachel-israela.de
https://www.connected-archives.com/-/galleries/photographer/rachel-israela