Die Verletzbarkeit von Haut und FilmMaik Gräf spricht über sein Fotoprojekt „ZOE“
Was ist deine Connection zu p:berlin und zu der Werkstatt? Was hast du in der Werkstatt gemacht?
Maik Gräf: Ich habe in der Dunkelkammer der p:berlin-Werkstatt Abzüge für eine Ausstellung gemacht, die im Mai gelaufen ist. Die Bilder sind in einem mit Risografie gedruckten Künstlerbuch enthalten, ich wollte aber für die Ausstellung zu dem Projekt ein paar bestimmte Bilder als Abzüge umsetzen und so vom Buch-Raum in den realen Raum bringen.
Um welches Projekt ging es genau?
Das Projekt trägt den Titel „ZOE“ und begann letztes Jahr in Athen. Ich habe dort einen Monat verbracht und mich mit queeren Aspekten in der griechischen Mythologie und Gesellschaft auseinandergesetzt. Das sind Themen, die schon früher fragmentarisch in anderen Arbeiten von mir aufgetaucht sind. Aber für dieses Projekt bin ich dorthin gereist, um wirklich intensiv zu arbeiten und mich mit den archäologischen Sammlungen auseinanderzusetzen.
Wonach hast du gesucht?
Es geht um Darstellungen von Menschen in der Antike, aber auch um eine gewisse queere Verletzlichkeit, die in solchen intimen Aufnahmen von Körpern aus Stein steckt. Das sind ja oft auch zerbrochene und beschädigte Körper. Und als Gegenüberstellung habe ich mich mit Leuten aus der Szene vor Ort vernetzt. Ich kannte tatsächlich niemanden in der Stadt, ich bin auf gut Glück hingefahren und habe gehofft, dass ich Anschluss finde, was dann auch sehr gut geklappt hat.
Worüber hast du mit den Leuten gesprochen?
Wir haben uns vor allem über ihre Erfahrungen als queere Person in Athen ausgetauscht. Welche Hindernisse gibt es in Gesellschaft und Politik? Da gab es hoffnungsvolle Storys, aber auch viele traurige und schmerzhafte Geschichten. Danach haben wir uns noch ein zweites Mal getroffen und ich habe Porträts von den Personen gemacht. In dem Buch kommt dann alles zusammen: die Porträts treffen auf die Skulpturen und auf Fragmente aus der Stadt, Architektur, antike und moderne Ruinen.
Gibt es einen roten Faden, der sich durch deine Arbeit zieht? Ein Motiv oder eine Technik, die immer wieder auftaucht?
Oh ja, es geht eigentlich immer um eine Vermittlung von Emotion und von Sinnlichkeit. Ich versuche sie mit meiner Kamera einzufangen. Und ich nutze bei diesen künstlerischen Projekten auch immer analoge Fotografie, weil das für mich ein sehr körperliches Medium ist, bei dem man den Film und die Körnung erfahren kann und auch mit dem Papier spielen kann. Und in dieser Körperlichkeit liegt wieder die Verbindung zu den Motiven, die ich fotografiere.
Wie sieht diese Verbindung aus?
Die Verletzbarkeit des gezeigten Körpers korrespondiert mit der Verletzbarkeit des Mediums. Ich finde die Oberfläche des fotografischen Films ganz ähnlich wie die der menschlichen Haut, in ihrer Verletzlichkeit. Und wenn ich in den Film reinschneide, passiert etwas ähnliches wie bei meiner eigenen Haut.
Wie war es für dich, in der Werkstatt von p:berlin zu arbeiten?
Es war für mich ein richtiges Geschenk, da arbeiten zu können. Ich habe während meines Studiums sehr viel in der Dunkelkammer meiner Hochschule gearbeitet, doch seit einigen Jahren studiere ich nicht mehr und lebe in Hamburg, wo es keine so gute Infrastruktur gibt. Insofern war es für mich eine sehr intensive Erfahrung, nach so langer Zeit wieder in der Dunkelkammer zu stehen und diese Prozesse zu erfahren, die eigentlich so ein wichtiger Teil meiner Arbeit sind. Ich konnte in der Werkstatt meine Arbeit genauso realisieren, wie ich es wollte. Auch der Rest der Werkstatt ist sehr gut ausgestattet. Ein weiterer Punkt, der für mich sehr positiv war, war die Tatsache, dass ich dort sehr oft allein war und mich richtig intensiv auf meine Arbeit konzentrieren konnte.
Was läuft gerade bei dir jenseits von dem Buch und der Ausstellung? Hast du schon das nächste große Projekt in Planung?
Das aktuelle Projekt ist noch nicht abgeschlossen, es gibt noch sehr viele Fotos in dem Buch – es hat etwa 180 Seiten – mit denen ich noch arbeiten möchte und die ich noch vergrößern und printen möchte. Für mich ist ein Bild noch nicht fertig, wenn ich mit der Kamera auf Film gebracht habe. Der Weg vom Film auf das Papier ist auch noch ein ganzer Arbeitsschritt, in dem noch viel passieren kann. Und ich möchte noch mehr Abzüge aus diesem ganzen Bildkörper realisieren. Außerdem möchte ich auf jeden Fall noch dieses Jahr das Projekt in Athen zeigen, das ist der nächste wichtige Schritt. In der weiteren Zukunft möchte ich gern auch hier in Hamburg und Berlin mich noch mehr vernetzen und mit queeren Leuten arbeiten. Es gibt also noch einiges zu tun.