Praxisbezug als FirmenphilosophieWie Novoflex Lösungen für künstlerisch tätige Fotograf:innen entwickelt
Du bist p: berlin Fördermitglied und arbeitest für Novoflex – was genau machst du dort und wo liegt Deine Expertise?
Andreas Marx: Ich habe eine Ausbildung an der Bayerischen Staatslehranstalt für Fotografie absolviert und 1983 die Meisterprüfung gemacht. In Memmingen habe ich mich mit einem Studio für Werbe- und Industriefotografie selbstständig gemacht. Memmingen ist nicht groß, daher wollte ich mich nicht zu stark spezialisieren und habe mein Portfolio breit gehalten. Viel Produkt-, aber auch Architektur- und Industriefotografie. Auf der Meisterschule habe ich meine Frau kennengelernt, die Porträtfotografin ist und hier in Memmingen ein Studio hat. Zusammen konnten wir das gesamte fotografische Spektrum abdecken. Außerdem hatten wir noch ein Farblabor, das eine Zeit ganz gut lief, bis sich die Digitalfotografie immer mehr durchgesetzt hat.
Wie bist du dann zu Novoflex gekommen?
Das ursprüngliche Firmengebäude von Novoflex befand sich direkt gegenüber von meinem Studio und so ergab es sich, dass ich oft dort war und immer wieder eigene Ideen mitgebracht habe, die wir dann umzusetzen versuchten. Ich hatte Ideen für Teile und kleine Problemlöser beim Fotografieren und wir probierten dann damit herum. So entstand eine enge Verbindung mit dem Unternehmen und um die Jahrtausendwende war ich bereits regelmäßig als Begleiter mit Novoflex auf der Photokina und habe am Stand Kund:innen beraten. Vor zehn Jahren bin ich fest bei Novoflex eingestiegen.
Novoflex ist Fördermitglied bei photography unlimited e.V. – wie kam es dazu und was hältst du persönlich vom Verein und seiner Arbeit?
Ich bin über einen Workshop auf den Verein gekommen. Gemeinsam mit Ralph Rosenbauer habe ich einen Workshop zur Architekturfotografie gegeben. Ich habe Equipment von uns mitgebracht, welches wir im Workshop eingesetzt haben.
War das dein erster Kontakt mit dem Verein?
Nein, zu dem Zeitpunkt kannte ich euch schon. Ich fand die Idee von photography unlimited super, eine Werkstatt für Künstler:innen mit dem ganzen Equipment anzubieten. Besonders schön finde ich, dass bei euch auch die alten Techniken, die analoge Fotografie, noch vertreten sind und man mit den alten Geräten arbeiten kann. Für meine Arbeit nutze ich den Film zwar kaum noch – ich habe viele Jahre meines Lebens in der Dunkelkammer verbracht und habe nicht mehr so viel Freude daran – aber ich finde es toll, dass diese Technik noch genutzt werden kann und so hoffentlich eine Überlebenschance bekommt. Aber auch die digitale Ausstattung bei euch finde ich großartig. Als ich das alles kennengelernt habe, dachte ich gleich, das müssen wir auf jeden Fall unterstützen und da war die Fördermitgliedschaft eine gute Option. Seitdem ist Novoflex dabei.
Du kommst selber aus der fotografischen Praxis. Bringst du deine Perspektive als Fotograf in die Entwicklungsprozesse bei Novoflex ein?
Ja, und das ist mir und der Firma auch ganz wichtig. Ich glaube, das ist auch ein Grund, warum wir erfolgreich sind: Unsere Produkte kommen aus der Praxis und sind praxistauglich. Das ist natürlich nur zum Teil mein Verdienst, früher hat bereits der Seniorchef von Novoflex sehr viel Wert daraufgelegt, diesen Praxisbezug zu bewahren, es gehört also schon immer zur Firmenphilosophie. Seit ich hier als fototechnischer Leiter fest angestellt bin, kann ich selbst mehr Entwicklungen anstoßen und sinnvolle Produkte für Profi-Fotograf:innen entwickeln. Dabei helfen mir auch meine vielen Kontakte, die ich bis heute in die Fotograf:innenszene pflege. Ich bin unter anderem Mitglied im PIC-Verband und im Zentralverband der Fotografen und war mehrere Jahre Obermeister in der Innung hier vor Ort. Auf diesen Wegen versuche ich auch, noch mehr Bewusstsein dafür zu schaffen – denn obwohl der Name Novoflex den meisten bekannt ist, wissen viele erstaunlicherweise noch nicht genau, was wir eigentlich machen.
Was ist es denn genau, was ihr macht? Was macht die Produkte und das Unternehmen Novoflex so besonders?
Grundsätzlich versuchen wir ein Stück weiterzudenken als die anderen. Wir werden die Fotografie natürlich nicht neu erfinden, aber wir können schauen, wie man bestehende Technik besser machen kann – das ist unser Anspruch. Für mich persönlich ist meine Arbeit bei Novoflex eng mit dem Aufkommen der Digitalfotografie verknüpft. Ich habe viel Produktfotografie gemacht und immer eine Sinar Fachkamera genutzt. Da gab es damals ein digitales Rückteil für die Kamera, das aber ca. 70.000 Mark kostete – und „sagenhafte“ drei Megapixel hatte. Aus damaliger Sicht war das natürlich ganz toll, heute wissen wir alle, dass es einfach lächerlich war und mir ist sofort klar gewesen, dass sich so eine Investition in meinem Studio nicht amortisieren wird. Also bin ich zu Novoflex gegangen und wir haben nach Lösungen gesucht. Es gab damals einigermaßen bezahlbare Kleinbild-Spiegelreflexkameras, die ebenfalls drei Megapixel hatten, bei denen man aber keine Tilt-Shift-Verstellung vornehmen konnte. Wir wollten also ein Gerät entwickeln, mit dem man wie mit einer Fachkamera arbeiten kann, das aber als Rückteil mit einer normalen Spiegelreflexkamera funktioniert. So ist das Balpro T/S entstanden, das wir heute immer noch im Sortiment haben. Ich benutze es selber bis heute, und kann da quasi jede beliebige Digitalkamera anschließen. Das ist auch ein Prinzip bei uns: Wir bauen keine Spezialteile für eine spezielle Kamera, sondern unsere Teile sind immer möglichst universell, wie ein Baukastensystem. Ich hatte im Laufe der Jahre eine Canon, dann eine Nikon und jetzt eine Fuji-Mittelformatkamera, und ich musste immer nur für ein paar Euro die entsprechenden Adapter kaufen und konnte sie mit dem System benutzen.
Wie läuft der Entwicklungsprozess bei euch ab?
Entweder wir entwickeln selber Ideen oder Kund:innen kommen auf uns zu und haben Anregungen. Oft fehlt ein bestimmtes Teil für eine Problemlösung oder es gibt bereits etwas von anderen Herstellern und die Qualität stimmt einfach nicht. Dabei gilt es natürlich, abzuwägen, ob sich die Entwicklung eines bestimmten Teils lohnt, ob es genügend Kund:innen gibt, die sich dafür interessieren könnten. Wenn wir der Meinung sind, dass dem so ist, dann fangen wir an, die Idee weiterzuentwickeln. Wir haben ein Team mit mir als Fotografen und zwei Konstrukteuren, die das technische Know-How haben.
Wie geht ihr dann konkret vor?
Zuerst schauen wir, was wir schon im Programm haben und was man abwandeln oder erweitern könnte. So haben wir zum Beispiel zuletzt einen 3-Wege-Neiger entwickelt. Wir hatten bereits Kugelkopf-Stative im Sortiment, weil das für Natur-, Landschafts- sowie Porträtfotografie sehr gut funktioniert. Aber für Architekturfotografie ist ein Kugelkopf nicht optimal, weil die einzelnen Achsen nicht getrennt einzurichten sind. Ich habe schon lange dafür plädiert, dass wir einen 3-Wege-Neiger brauchen und nun haben wir mit der Entwicklung begonnen. Leider ist es sehr viel mühsamer und aufwendiger als gedacht. Vor Kurzem habe ich den ersten Prototypen bekommen und war damit noch nicht zufrieden – wir arbeiten jetzt weiter, bis wir den Ansprüchen von Profi-Fotograf:innen zu 100% genügen.
Was waren denn die Probleme bei der Entwicklung?
Das größte „Problem“ ist wahrscheinlich unser eigener Anspruch, denn im Endeffekt besteht der Neiger aus einem Schneckengetriebe und das ist billig zu bauen, wenn einfach mit relativ großen Toleranzen gearbeitet und anschließend jede Menge Fett reinpumpt wird. Dann läuft das eine Zeit lang gut, aber irgendwann altert das Fett und damit läuft das Gerät nicht mehr geschmeidig. Unser Anspruch ist aber, immer extrem langlebige und hochqualitative Teile zu bauen, die auch reparierbar sind. Wir konnten bis vor zwei Jahren noch Geräte wieder herstellen, die wir vor 50 Jahren verkauft haben. Das muss eine Firma erst mal schaffen. Mittlerweile sind irgendwann die Ersatzteile aufgebraucht und der Mitarbeiter, der die Mängel beheben konnte, ist schon seit langem in Rente. Aber 20 Jahre alte Geräte können wir immer noch problemlos reparieren. Das ist unser Anspruch, aber das macht es dann manchmal nicht leichter.
Das klingt nach einem Prozess, bei dem es oft vor und zurück geht und bei dem man auch mit Rückschlägen umgehen muss …
Absolut, ja. Man muss manchmal schwere Entscheidungen treffen. Ein gutes Beispiel ist das Fokus-Stacking. (Da werden mehrere Bilder mit verschiedenen scharfen Ebenen erstellt und baut diese dann hinterher in der Software zusammen, wodurch ein Bild mit extrem großer Tiefenschärfe entsteht). Das können mittlerweile manche Kameras auch intern, aber nicht mit der Genauigkeit und so akkurat, wie es für unsere Kund:innen wichtig ist. Wir haben für den Makrobereich einen Einstellschlitten entwickelt, ein hochpräzises Teil. Das war eine extrem aufwendige Entwicklung, vor allem von der Steuerung und Programmierung her. Da gab es in der Entwicklung einen Punkt, an dem wir uns hingesetzt haben und entscheiden mussten: Entweder stampfen wir das Projekt ein oder wir ziehen es durch. Letztlich haben wir uns entschieden, es durchzuziehen, und das präziseste Gerät entwickelt, das man in diesem Bereich bauen kann. 2018 auf der Photokina wurde der Castel-Micro vorgestellt und unsere Erwartungshaltung war: Wenn wir davon 20 Stück im Jahr verkaufen, dann werden wir irgendwann wenigstens die Kosten wieder reinholen. Es stellte sich schnell heraus: Die Möglichkeiten des Gerätes sind sehr interessant und es verkauft sich richtig gut. Dieses Beispiel zeigt, man muss auch Risiken eingehen, in Vorleistung gehen und es gibt nie die Sicherheit, dass es klappt. Aber wir versuchen immer, die Sachen bis zum Ende durchzuziehen und keine Kompromisse bei der Qualität zu machen. Das zeichnet uns aus und das hat bisher immer funktioniert.
Ist es eine Balance zwischen wirtschaftlichem Denken und einer Verpflichtung der Fotografie gegenüber?
Ja durchaus. Jede Firma muss wirtschaftlich sein, sonst geht es nicht lange. Aber als reiner Familienbetrieb haben wir nicht den Druck von Aktionärsversammlungen, wo jedes Vierteljahr bessere Zahlen präsentiert werden müssen. Wir können, wenn etwas entwickeln wollen, mal in einem Quartal mit Plus-Minus-Null rausgehen oder mal einen Monat weniger Gewinn machen und dafür dann im nächsten etwas mehr. Solange es unterm Strich passt und alle unsere Mitarbeitenden ihr Geld kriegen, ist eigentlich alles gut.
Produziert ihr alles in Deutschland?
Wir produzieren hier im Werk in Memmingen praktisch 95 % unserer Sachen selber, . Das kann man sich auch anschauen, wenn man vorbeikommt. Ein paar Sachen, die es eben nicht in Deutschland oder Europa gibt, die müssen wir zukaufen. Zum Beispiel die Carbonbeine von Stativen.Die in Deutschland zu produzieren, ist nicht möglich. Aber alles, was an Metall- und Fräsarbeiten anfällt, egal ob Stahl, Aluminium oder Messing, machen wir in Eigenleistung.
Wohin wird die Zukunft von Novoflex gehen? Was sind die nächsten Projekte, an denen ihr arbeitet?
Ich kann verkünden, dass Novoflex ab sofort auch Lichttechnik anbietet. Das haben wir viele Jahre nicht im Angebot gehabt, aber wir haben jetzt die Firma HEDLER übernommen. Das ist auch ein traditionsreicher deutscher Hersteller von LED-Studiolicht für Foto und Film. Wir wollen dieses Thema auch weiterentwickeln und sind bereits dabei, zusammen mit HEDLER und anderen Partnern ein Lichtsystem für extreme Makrofotografie zu entwickeln. Die ersten Prototypen dafür sind bereits fertig und wir werden das sicher demnächst zeigen. Also das Thema Licht wird in Zukunft neben den anderen Hauptbereichen Stativ, Adaptertechnik, Panorama- und Makrofotografie auch eine große Rolle bei uns spielen.