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Rückblick Herbstfest 2023Grund zum Feiern bei p: berlin

Montag, 11. Dezember 2023
Nach vielen Wochen Arbeit konnten wir beim p: berlin Herbstfest in Schöneweide endlich unser neues Studio und das Academy-Programm 2024 vorstellen – und mit euch ins Gespräch kommen

Es liegen arbeitsreiche Wochen hinter dem Team von photography unlimited e.V.: In der zweiten Jahreshälfte stand bei uns alles im Zeichen der Neueröffnung des Studiobereichs sowie der p: berlin academy, in der wir ab 2024 ein umfassendes Weiterbildungsprogramm für Fotografierende anbieten. Doch am 30. November war endlich alles fertig und wir luden euch und unsere Partner zum gemeinsamen Herbstfest in die p: berlin Laboratories in Berlin-Schöneweide ein.

Bei Getränken, Snacks und guter Stimmung war das eine wunderbare Chance zum Austausch zwischen unseren Nutzer:innen, den Dozent:innen der p: berlin Academy und natürlich auch dem Team von p: berlin. Wir freuen uns, dass so viele die Gelegenheit genutzt haben, sich den neuen Studiobereich anzusehen und mehr über die Academy zu erfahren. Besonders gefreut hat es uns, auch unsere alten und neuen Partner vor Ort begrüßen zu können. Die Freunde und Fachleute von ALPA, PhaseOne, Novoflex, MacConsult / Sinar, Kaiser Fototechnik, Hensel und Hedler präsentierten ihre Produkte und Technologien, die Fotografierende bei p: berlin ab sofort vollumfänglich nutzen können. Zum Schluss gab es noch eine köstliche Lasagne in der gewohnt familiären Atmosphäre, die viele von euch immer wieder gern nach Schöneweide kommen lässt. Wir haben die Fotografin Natalia Kepesz gebeten, ein paar Eindrücke des Abends für uns festzuhalten.

Raum für neue Möglichkeitenp: photography unlimited e.V. erweitert die p: berlin laboratories um ein Fotostudio

Freitag, 17. November 2023
In den p: berlin laboratories in Schöneweide können Fotografierende bisher ihre Fotoaufnahmen auf Profi-Niveau digitalisieren, printen (analog und digital). Mit dem neuen Studiobereich werden die Möglichkeiten jetzt noch einmal um den Prozess der "ein Foto aufnehmen" erweitert.

In den p: berlin laboratories bietet photography unlimited e.V. ab Dezember 2023 ein Fotostudio an. Wie kam es dazu und was genau erwartet Nutzer:innen künftig im Studio?  

Alexander Schippel: Das neue Studio stellt die ideale Ergänzung für unseren Laborbereich dar, in dem es vor allem um die Produktion, die Aufnahme, von Bildern geht. Mit dem Studio können wir nun auch den kreativen Prozess des Fotografierens unterstützen – jegliche Art von professioneller Studiofotografie, von People und Porträts über Fashion bis hin zu Still Life, ist nun bei uns möglich.  

 

Wie sieht die Ausstattung im neuen Studio aus?  

Dank der Hilfe unserer Kooperationspartner können wir eine komplette Ausstattung mit Licht und Kameraequipment anbieten. Wir haben LED-Lampen von Kaiser Fototechnik und HEDLER Systemlicht und Blitz-Lampen von HENSEL, sowie umfangreiches Kameraequipment von NOVOFLEX u.a. für die Makrofotografie. Des Weiteren steht eine Sinar-P3-Kamera (unterstützt von MacConsult) zur Verfügung, die man via Adapter mit allen gängigen Digitalkameras koppeln kann, um perfekt im Studio arbeiten zu können. Also im Grunde alles, was Fotograf:innen für ihre Arbeit brauchen, aber oft selbst nicht besitzen, oder testen wollen.

 

Wie fügt sich das Studio in das Gesamtangebot von p: photography unlimited e.V. ein?   

Unser Verein p: photography unlimited e.V. hat es sich zur Aufgabe gemacht, Produktionsmittel zur Verfügung zu stellen, damit Fotografierende trotz der immer schwerer werdenden Bedingungen in dem Berufsfeld weiterhin ihre Kunst produzieren können. Deswegen bieten wir in den p: berlin laboratories eine Infrastruktur an, die man nur schlecht bei sich Zuhause in der Küche einrichten kann, von einem analogen Labor über großformatige Drucker bis zur professionellen Phase One-Digitalisierungsstation. Und dazu gehört eben auch ein voll ausgestatteter Studiobereich, den wir mit diesem Schritt nun auch zum Selbstkostenpreis anbieten können.

 

Neben dem neuen Studio wird in 2024 auch die p: berlin academy mit einem umfangreichen Workshopprogramm an den Start gehen. Wie sind Studio und p: berlin academy verknüpft? 

Das Studio schafft natürlich viele weitere Nutzungsmöglichkeiten. Unter anderem können wir im Rahmen der p: berlin academy nun auch Workshops anbieten, die vorher nicht möglich waren. Der erste dieser Workshops wird ein Angebot zum Thema Still-Life-Fotografie und Studiolicht mit der Fotografin Caroline Heinecke und dem Fotografen und Fototechniker Andreas Marx sein. Das wird eines der absuluten Highlights, auf das hoffentlich noch viele weitere spannende Workshops im Bereich Studiofotografie folgen werden.  

Neben den Workshops können Interessierte vor Ort außerdem das Equipment unserer Kooperationspartner ausgiebig testen. Und nicht zuletzt geht es bei uns immer auch um den Austausch mit Gleichgesinnten – und natürlich darum, gute Bilder entstehen zu lassen!  

 

Handwerk und Technik der Fotografie p: berlin academy startet

Donnerstag, 16. November 2023
Die p: berlin academy wird regelmäßige Workshops zu wichtigen fotografischen Themen anbieten. Von digitaler Studiofotografie bis analogem Printing bietet das Programm spannende Weiterbildungsmöglichkeiten für Fotografierende mit professionellem Anspruch.

Wer sich heute professionell mit Fotografie beschäftigt, kennt die Rasanz, mit der sich die Fototechnik weiterentwickelt – jedes Jahr erfolgen gefühlt Quantensprünge. „Als ich vor 20 Jahren meine fotografische Ausbildung abgeschlossen habe, wurde noch mit Planfilmkassetten gearbeitet“, erinnert sich Alexander Schippel, Fotograf und Initiator von photography unlimited e.V., „heute nutze ich ein PhaseOne Digital Back mit 100 MP.“ Die schnelle Entwicklung der Fototechnik zu begleiten und Fotografierende zu unterstützen, ist eines der Hauptziele von p: photography unlimited e.V.  

Die neueste Technik und eine professionelle Infrastruktur zu erschwinglichen Preisen bietet der Verein bereits seit 2018 in den p: berlin laboratories in Schöneweide an. Ab 2024 werden mit der p: berlin academy nun auch die entsprechenden Skills und zentrales Know-How rund um die Fotografie vermittelt.  

„In unserer Werkstatt bieten wir die Möglichkeit, sehr kostengünstig die gesamte Prozesskette der fotografischen Produktion zu nutzen. Dafür braucht man bestimmte technische Kenntnisse, die wir in der p: berlin academy vermitteln wollen“, sagt Schippel. „Im Idealfall kann ich dann die Fähigkeiten, die ich im Workshop bei p: berlin gelernt habe, direkt vor Ort in den Laboratories anwenden und die bestmöglichen Ergebnisse in meinen Bildern erzielen.“  

In insgesamt 12 Workshops in 2024 geht es um Themen wie Studiofotografie, Fine-Art-Printing, Archivdigitalisierung,  Capture One und digitale Mittelformatfotografie. Aber auch „Klassiker“ wie analoges Printing, sowie angedockte Themen wie Galerieakquise oder die Erstellung von professionellen Info- und Portfoliotexten werden gelehrt. Alle Dozent:innen sind erfahrene Profis und Spezialist:innen in ihren jeweiligen Bereichen. 

Für Ludwig Rauch, Fotograf und Dozent an der Ostkreuzschule, geht es in der Workshopreihe vor allem darum, einem Defizit entgegenzuwirken, dass er als Lehrtätiger oft wahrnimmt: „An einigen Schulen für Fotografie spielen die Technik und das handwerkliche Wissen heute leider eine untergeordnete Rolle. Die Leute beschäftigen sich zu wenig damit und wissen nicht, wie man welches Mittel einsetzt, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen.“ Rauch konnte als künstlerischer Berater für die p: berlin academy gewonnen werden und wird das Projekt mit seiner langjährigen Erfahrung als Fotojournalist, Künstler und Lehrer begleiten.  

Das fehlende Wissen führt ihm zufolge dazu, dass besonders junge Fotograf:innen im Beruf häufig Schwierigkeiten bekommen, weil die technischen Anforderungen dort nach wie vor hoch sind. „Die p: berlin academy geht sehr stark von den technischen und handwerklichen Fähigkeiten aus und stellt daher eine ideale Ergänzung für künstlerisch und anderweitig tätige Fotograf:innen dar“, ist Rauch sich sicher.  

Neben dem von photography unlimited e.V. angebotenen Workshopprogramm, das vor allem die Kernbereiche wie Printing, Labor und Digitalisierung abdeckt, wird die p: berlin academy zukünftig auch ein Ort sein, an dem Fotografierende selbst eigene Workshops anbieten können. „Wir haben bei der Ausarbeitung des Konzepts festgestellt, dass ganz viele Fotograf:innen sich sowohl in der Teilnehmer- als auch in der Dozentenrolle sehen“, sagt Alexander Schippel. Dafür eine qualitativ hochwertige Infrastruktur zu bieten, ist der zweite Teil der p: berlin academy. Hier können Fotograf:innen in Abstimmung mit dem p: berlin Projektteam künftig eigene Schwerpunkte setzen. „Im Idealfall werden wir bald Gäste aus der ganzen Welt begrüßen dürfen, die spannende Themen mitbringen“, hofft Schippel.  

Bis es so weit ist, dürfen sich Teilnehmende des Workshopprogramms 2024 auf viele interessante und anregende Sessions in Schöneweide freuen. In der besonderen Atmosphäre der ehemaligen Industrieanlage, in denen sich heute die p: berlin laboratories befinden, bereiten die Workshops viel Freude und regen die Kreativität an. Auch Ludwig Rauch ist gespannt auf die Zukunft: „Ich bin neugierig, wie die Workshops laufen, und welche Themen sich aus der Academy noch ergeben werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass hier in Schöneweide einer der wichtigsten Knotenpunkte des Fotografienetzwerks in Berlin entstehen wird.“ Als kleines Highlight ist übrigens geplant, die Ergebnisse der Workshops 2024 anschließend gemeinsam zu betrachten und aus den schönsten Bildern einen exklusiven Kalender für 2025 zu produzieren.  

Alle Infos zu den Workshops der p: berlin academy gibt es hier. 

"Der sechste Sinn" Meisterklasse Ludwig RauchVom 22.10. - 19.11.2023 im Kunstraum Potsdam

Sonntag, 15. Oktober 2023
Im Kunstraum Potsdam werden die Arbeiten der Meisterklasse Ludwig Rauch zeigt. Die Ausstellung „Der Sechste Sinn“, bildet nach drei Jahren intensiver Zusammenarbeit den Abschluss der Meisterklasse. Die teilnehmenden Künstler:innen sind Sabine Dobinsky, Nadja Rentzsch, Ruslan Hrushchak, Michael Matthews, Martin Tscholl und Rainer Enke.

„Als „sechster Sinn“ wird die Intuition beschrieben, das Bauchgefühl, die Eingebung, das Empfinden im Raum. Es ist etwas, das man spürt und ahnt. Vielleicht liegt gerade in diesem sechsten Sinn ein Ursprung der Schönheit und Einzigartigkeit der Kunst“ so erklärt Ludwig Rauch die Entstehung der Ausstellungsidee seiner Meisterklasse. Die unterschiedliche Interpretation des sechsten Sinns mit der den Künstler und Künstlerinnen eigenen Bildsprache und künstlerischer Position machen die Arbeiten so spannend.

Ludwig Rauch ist seit vielen Jahren als Fotograf im Geschäft. Nach dem Abschluss von zwei Fotografie-Studiengängen – an der Karl-Marx-Universität Leipzig und an der Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Arno Fischer – verließ er Anfang 1989 die DDR und arbeitete als freier Fotograf in Westberlin. Seitdem porträtierte er zahlreiche Figuren aus Kunst, Kultur und Öffentlichkeit – von Sigmar Polke bis Rio Reiser und von Muhammed Ali bis Anna Thalbach. Seit 2009 ist Rauch außerdem Dozent an der Ostkreuzschule und betreut regelmäßig die Abschlussjahrgänge.

Die Meisterklasse Ludwig Rauch existiert seit 2020 und bietet fortlaufend sechs fortgeschrittenen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit zu einem intensiven Diskurs über ihre Fotografie und der Weiterentwicklung ihrer Arbeit. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt im Bereich der künstlerischen Fotografie, der Bildenden Kunst.

In der Klasse werden die künstlerischen Positionen und die jeweiligen Bildsprachen der Teilnehmenden unter Anleitung und in der Diskussion weiterentwickelt, um die bestmögliche Umsetzung des eigenen Anspruches an das selbst gewählte Thema zu erreichen.

Die Ausstellung „Der Sechste Sinn“, bildet nach drei Jahren intensiver Zusammenarbeit den Abschluss dieser Meisterklasse. Die mehr als 200 Fotografien und 7 Skulpturen bilden ein Kondensat dieser gemeinsamen Arbeit und sind gleichzeitig Ausdruck der Vielseitigkeit der einzelnen künstlerischen Positionen. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

Zum Februar 2024 wird die Meisterklasse neu ausgeschrieben. Die Prints wurden in den p: berlin laboratories produziert und wir freuen uns sehr, als Partner die Ausstellung zu begleiten.

Wir haben die Künstler und Künstlerinnen zu ihren Positionen befragt:

Michael Matthews

Als Komponist nähere ich mich der Fotografie wie der Musik mit demselben künstlichen Ansatz, insbesondere im Hinblick auf deren strukturelle, proportionale und farbliche Qualitäten. So wie ich meine Musik mit rhythmischer Mehrdeutigkeit und harmonischer Fluidität durchziehe, so strebe ich auch in meiner Fotografie danach, die Grenzen zwischen dem Realen und dem Abstrakten aufzulösen. Meine abstrakten Fotografien entstehen durch komplexe Prozesse der Bildüberlagerungen und Verwandlungen. Neben meiner Leidenschaft für abstrakte Bilder faszinieren mich auch die graphischen Elemente in der Architektur und Landschaft. Die Fotografie bei Nacht hat für mich eine besondere Anziehungskraft; sie ermöglicht es mir, die flüchtige, ätherische Schönheit einzufangen, die sich entfaltet, wenn die Dunkelheit die Welt umhüllt. In meinen jüngsten Arbeiten vertiefe ich meine Einsichten in die Abstraktion durch neue Makro- und 3D-Techniken.

Rainer Enke

Es ist nicht das reelle Abbild eines Motives, welches mich an der Fotografie fasziniert, sondern es sind Emotionen und Stimmungen die mich daraus ansprechen. Dabei ist es mein künstlerischer Anspruch, die vor Ort temporär erfassten Situationen fotografisch festzuhalten und dabei mit einer für mich adäquaten Bildsprache zu interpretieren. Dies versuche ich, durch das Experimentieren mit den unterschiedlichsten fotografischen Techniken auf digitaler und analoger Basis zu verwirklichen.

Größtenteils sind es Mehrfach-und Langzeitbelichtungen, die bei der künstlerischen Umsetzung einer eignen Bildsprache am ehesten meinen Vorstellungen entsprechen. Hier hat sich vor allen Dingen eine Camera Obscura als unverzichtbarer Helfer erwiesen. Mit dem damit verbundenen Mut zur Unschärfe und der Kunst der Langsamkeit entsteht so eine fast surreale Bilderwelt, die sich in meinen in der Ausstellung präsentierten Bildserien widerspiegeln.

Nadja Rentzsch

In ihren Bildserien beschäftigt sich Nadja Rentzsch mit Phänomen aus der Alltags- und Lebenswelt. Sie inszeniert ihre Motive in einem Kontext, der neue Sichtweisen auf gewohnte Verhaltens- und Denkmechanismen ermöglicht und neue Perspektiven bietet.

Sabine Dobinsky

Bilder und deren unausgesprochene Erzählungen, die sich in ihren Kompositionen verbergen, haben mich stets in ihren Bann gezogen. Die unterschiedliche menschliche Auffassung des Begriffs der Schönheit, insbesondere in Bezug auf die Darstellung der Frau in unserer sozialen Wirklichkeit und in der künstlerischen Wahrnehmung, ist eine der Kernfragen meines fotografischen Schaffens. Im Bewusstsein meiner eigenen kulturellen Prägung gestalte ich das Bild in sorgfältig arrangierten Szenerien und genau gewählten Farbkompositionen, die meinen Arbeiten einen malerischen Aspekt verleihen. Speziell im Bereich des Porträts erlaubt mir die Inszenierung den gewünschten Ausdruck hervorzuheben und einen Rahmen zu schaffen, in dem die Portraitierte ihre eigene Geschichte erzählen kann.

Ruslan Hrushchak

Vielseitig und neugierig — das ist mein Artist Statement in zwei Worten. Ich habe in unter schiedlichsten Kulturen, Traditionen und Berufen gelebt, gelernt und gearbeitet. Auf der Suche nach Wert- und Sinnvollen und nach Herausforderungen hat mich immer Fotografie begleitet und weiterentwickelt. Familie, verlorene und wiederentdeckte Liebe, meine Kinder und meine ukrainischen Wurzeln beeinflussen und formen meine Kunst. Ich möchte die Seele eines Bildes einfangen, suche den flüchtigen Moment der Ewigkeit, sei es im Menschen oder in der Umgebung. Dies spiegelt sich in meinen Reisebildern wider. Wenn ich über das Leben nachdenke, träume oder meditiere, entstehen inszenierte Bilder und Portraits. Mit Chemigrammen und Experimenten in analogen Medien erkunde ich die Magie des Zufalls und der Abstraktion. In jüngster Zeit sind meine Werke schlichter geworden, aber die Suche geht weiter. Ich strebe nach der einfachsten Abbildung, die unsere Seele berührt und uns immer wieder aufs Neue begegnet.

Martin Tscholl

Ein großer Teil meiner künstlerischen Praxis ist das Durchschreiten von Wiesen, Wäldern und Gebirgen. Dabei stoße ich auf ein Geflecht von Verbindungen und Strukturen, das weit über den Bereich des Menschlichen hinausreicht. Diese ökologischen Netzwerke werden von einer breiten Vielfalt an Organismen, Materialien und Prozessen geschaffen, die sich gegenseitig bedingen und sich ständig verändern. Indem ich aktiv nach diesen Erscheinungen Ausschau halte, die sich am Rande unserer Wahrnehmung befinden, eröffnet sich die Möglichkeit der Korrespondenz zwischen der menschlichen und der nichtmenschlichen Sphäre. Dabei entstehen Positionen, die eine Annäherung der scheinbaren Gegensätze des Rationalen und Irrationalen, von Leben und Nicht-Leben, Kunst und Natur erlauben. Als imaginäre Perspektiven dienen sie der Sensibilisierung unserer Wahrnehmung für die ökologische Komplexität der Umwelt.

Weitere Infos: www.kunstraumpotsdam.de

Ein gelungenes GesamtkunstwerkAbschlussausstellung Jahrgang S1EB7EHN der Ostkreuzschule für Fotografie Berlin

Samstag, 16. September 2023
Die Abschlussklassen von Ina Schoenenburg, Göran Gnaudschun, Sibylle Fendt und Peter Bialobrzeski präsentieren ihre Arbeiten in einer Gemeinschaftsausstellung.

Die 22 Arbeiten der Absolvent:innen des »Jahrgang 17« der Ostkreuzschule für Fotografie bewegen sich zwischen dokumentarischer und künstlerischer Fotografie und behandeln aktuelle politische, soziale und persönliche Themen. Mittels unterschiedlichster Bildsprachen haben sich die Absolvent:innen innerhalb von eineinhalb Jahren einem frei gewählten Thema angenähert und es mit verschiedenen formalen, ästhetischen und konzeptuellen Ansätzen in Fotografie übersetzt. Nicht nur jede und jeder für sich, sondern auch als Gruppe. 

In zahlreichen Bildbesprechungen und Unterrichtseinheiten bei den renommierten Fotograf:innen und Dozent:innen Ina Schoenenburg, Göran Gnaudschun, Sibylle Fendt und Peter Bialobrzeski, wurden auch die anderen Projekte ein Stück weit zu den eigenen. Und so zeigen sie nicht 22 völlig voneinander losgelöste Positionen, sondern ein in stetigem Austausch entstandenes, gelungenes Gesamtkunstwerk. Eine Abschlussausstellung, die als Gruppenprojekt gemeinsam entwickelt, produziert und finanziert wurde. Und die von den Dozent:innen kuratiert wurde. 

Die einzelnen Arbeiten werden in den Räumen von Konnekt.Berlin in Marzahn ausgestellt und in einem Ausstellungskatalog, sowie individuell gestalteten Fotobüchern und Publikationen präsentiert. Das Rahmenprogramm umfasst unter anderem Podiumsdiskussionen, eine Führung mit dem Kurator Ingo Taubhorn und einen Abend, wo wir das Phänomen Ostkreuzschule näher besprechen werden.
 

Folgende Absolventinnen und Absolventen werden ihre Arbeiten präsentieren:  

Anna Maria Boshnakova
Massimiliano Corteselli
Meret Eberl
Johanna Eckhardt
Jakob Eckstein
Janick Entremont
Julius Erdmann
Stefan Frank
Cecilia Gaeta
Simon Gembaczka
Christine Herold 

Nancy Jesse
Enzo Leclercq
Lilli Nass
Mirka Pflüger
Benjamin Sauer
Leo Söllner
Tian Sthr
Ania Sudbin
Giulia Thinnes
Xiaofu Wang
Marina Woodtli 

 

Die Ostkreuzschule für Fotografie ist aus der Ostkreuz Agentur der Fotografen hervorgegangen: Sie wurde 2005 von den Fotografen Werner Mahler und Thomas Sandberg gegründet. 

"Heute darf man nicht zu schmalspurig unterwegs sein"Interview mit dem Fotografie-Professor Hermann Dornhege

Dienstag, 2. Mai 2023
Hermann Dornhege ist ein Veteran der Fotograf:innenszene. Als Fotojournalist arbeitete er in den 1980er und 90er Jahren u.a. für das FAZ-Magazin, GEO, Stern, und Merian, 2003 erhielt er eine Professur für Fotografie an der Fachhochschule Münster. Im Interview spricht er über seine spannenden Erfahrungen, die Zukunft der Fotografie und das Spazierengehen in Valencia.

Sie sind schon lange im Geschäft und haben bereits in den 1980er-Jahren Porträts und Reportagen gemacht. Wie sah Ihr Weg in die Fotografie aus, und wie haben Sie als Fotograf gearbeitet?

Hermann Dornhege: Ich habe Bildjournalismus in Dortmund bei Prof. Ulrich Mack studiert und danach Zeitschriftengestaltung bei Prof. Willy Fleckhaus in Wuppertal. Er war quasi der erste Art-Director in Deutschland und hat zum Beispiel das twen-Magazin gestaltet und auch das FAZ-Magazin, bei dem ich dann später als Redaktionsfotograf gearbeitet habe. Das Problem in dieser Zeit war, dass der Fokus in der Ausbildung darauf lag, Fotografie zu erlernen und tolle Bilder zu machen. Aber von der Verwertung der Bilder, welche Erwartungen Redaktionen an die Fotografierenden stellen, davon hat man in den Hochschulen damals nichts gelernt. Das war aber das, was uns interessiert hat, denn wir wollten alle zu den Zeitschriften. Willy Fleckhaus hat uns das beigebracht. Er hatte einen virtuosen Umgang mit den Bildern und hat seine ganze eigenen Dramaturgien entwickelt. Die von ihm konzipierten Magazine waren eine sehr hohe Kunst, und ich durfte ein bisschen von ihm lernen, was meiner Fotografie gutgetan hat. Wenn man nämlich weiß, wie die eigenen Bilder hinterher eingesetzt werden und was in den Bildredaktionen gebraucht wird, dann kann man das beim Fotografieren schon berücksichtigen und die Zusammenarbeit funktioniert besser.

 

Hat sich diese Tendenz in ihrer aktiven Zeit verändert hat, wird das Redaktionelle heute in der Ausbildung stärker berücksichtigt?

Absolut! Ich war seit 2003 als Professor an der Fachhochschule Münster tätig,  es war für mich ein ganz wesentlicher Punkt der Lehre, dass es nicht nur darum ging, gute Bilder zu machen, sondern dass die Studierenden auch die Verwertungszusammenhänge kennenlernen. Das betrifft sowohl inhaltliche Überlegungen als auch das Technische, z.B. Auflösungen und Formate.

 

Wie war das für Sie? Haben Sie in der Praxis gelernt, was die Magazinredaktionen  brauchen?

Ich habe ja nicht nur für das FAZ-Magazin gearbeitet, sondern auch für andere Hefte wie Geo, Stern und Merian. Da muss man sich zunächst damit beschäftigen, welche Bildsprache diese unterschiedlichen Publikationen haben. Beim FAZ-Magazin konnte ich eigentlich immer machen, was ich wollte, weil der Direktor da sehr experimentierfreudig war und ich vollstes Vertrauen genossen habe. Wenn ich dann für andere Magazine gearbeitet habe, dann wurden die Grenzen oftmals enger gesetzt

Hatten Sie immer einen bestimmten Schwerpunkt? Haben Sie sich eher als Porträt- oder eher als Reportage- oder Reisefotograf betrachtet?

Ich habe mich als Journalist jenseits des tagespolitischen Geschäfts betrachtet und meine Schwerpunkte hingen damit zusammen. Ich war immer ein Reisender und habe das fotografiert, was mir auffiel. Ich spreche natürlich nicht von Sehenswürdigkeiten, ich wollte an den gesellschaftlichen Randbereichen arbeiten, wo ich auch möglichst große Freiheit hatte. Das war ein Schwerpunkt und der andere Schwerpunkt waren Porträts. Das waren oft kurze Assignments und das war für mich eine willkommene Abwechslung von den Reisen, für die ich ja oftmals zwei, drei Monate am Stück unterwegs war.

 

Gibt es einen roten Faden, der sich durch Ihre Arbeit zieht, ein Thema, das Sie immer besonders interessiert hat?

Auch auf die Gefahr hin, klischeehaft zu klingen: Der rote Faden war für mich immer die Conditio humana. Was ist eigentlich das, was uns alle verbindet? Ich glaube, es gibt da etwas, das uns über Kultur-, Länder- und Religionsgrenzen hinaus gemeinsam ist, und dem habe ich immer nachzuspüren versucht. Ein weiteres wiederkehrendes Element war, dass ich immer eine unglaubliche Neugierde in mir getragen habe. Ich wollte immer wissen, wie andere Leute leben, was für ein Weltbild sie haben, und wie sie sich verwirklichen. Das habe ich versucht, fotografisch zu erkunden. Die Fotografie war für mich ein Vorwand, meine Nase in Dinge zu stecken, die mich nichts angingen.

 

Haben Sie denn diese verbindende Gemeinsamkeit zwischen den Menschen gefunden?

Ich würde nicht behaupten, dass ich mit meiner Fotografie die Welt erklären kann, aber ich glaube, dass ich durchaus Impulse geben kann, über bestimmte Dinge nachzudenken. Ich könnte jetzt nicht sagen, wie genau sich alles verhält, das wäre vermessen und auch gar nicht möglich. Dafür bin ich auch viel zu sehr in meiner eigenen Kultur verhaftet. Aber ich habe gemerkt, dass man mit einer gewissen Offenheit in andere Kulturen sehr tief eindringen kann. Ich habe mich auf meinen Reisen nie fremd gefühlt, sondern wurde immer von den Leuten aufgenommen und akzeptiert. Ich habe mich immer am richtigen Platz gefühlt, egal wo ich war.

Gibt es eine Geschichte, die Sie besonders geprägt hat oder an die Sie oft zurückdenken?

Ich habe in Indien einmal 14 Tage mit einer ganz armen Bauernfamilie verbracht, habe mit denen  Tisch und Bett geteilt. Sie haben mich in ihrem Dorf aufgenommen und ich habe dort wie ein Familienmitglied gelebt. Das war sehr anders als unser Leben hier, und sehr eindrücklich. Wir schliefen unter freiem Himmel im Innenhof und es gab keine festen Schlafplätze. Jeder hat sich am Abend dort hingelegt, wo gerade Platz war, und die Hunde und Ziegen legten sich auch daneben. Aus unserer westeuropäischen Perspektive ist das nicht nachvollziehbar, wenn ich Freunden davon erzählt habe, haben die das nicht verstanden. Aber das war für mich in dem Moment genau richtig. Und dieses Einlassen auf die Bedingungen vor Ort, das hat dazu geführt, dass ich immer sehr nah dran war mit meiner Fotografie.

 

Sie haben gerade angesprochen, dass die verschiedenen Medien immer eigene Anforderungen an die Fotograf:innen stellen. War es manchmal ein schwieriger Balanceakt, dem eigenen Anspruch zu genügen und trotzdem zu liefern, was gerade gefragt war?

Man muss die verschiedenen Anforderungen der Publikationen schon berücksichtigen, bevor man anfängt zu fotografieren. Ich war aber damals beim FAZ Magazin fest angestellt und damit in einer sehr privilegierten Situation. Mir hat dort nie jemand reingeredet und das habe ich natürlich ausgenutzt. Der Unterschied zwischen dem, was ich machen wollte und dem, was ich liefern sollte, der war bei anderen Magazinen wie Geo, Merian oder Stern größer.

 

In unsere p: berlin laboratories kommen viele junge Fotograf:innen, die es oft nicht leicht haben, sich wirtschaftlich zu etablieren. War das früher einfacher?

Wenn ich mir die Berufseinstiege meiner Studierenden heute anschaue, dann muss ich sagen, dass es heute definitiv schwieriger ist. Gleichzeitig war es auch zu meiner Zeit alles andere als einfach. Der Kuchen war immer schon verteilt und es hat niemand auf die Absolvent:innen von den Hochschulen gewartet. Auch wir mussten uns selber unsere Nischen schaffen und uns ein Standing erarbeiten. Ich habe die ersten Jahre frei gearbeitet und es hat lange gedauert, bis ich mir keine Sorgen mehr machen musste, ob ich im nächsten Monat genügend Aufträge bekomme. Leicht war es nie, aber heute ist der Druck noch deutlich größer als bei uns damals.

 

Haben Sie in Ihrer Laufbahn auch künstlerische Veränderungen in der Fotografie wahrgenommen? Gehen junge Fotograf:innen heute anders künstlerisch an Dinge heran, als man das vor 20 Jahren gemacht hat?

Die Bandbreite, in der die Fotografie heutzutage eingesetzt wird, ist völlig anders als vor 20 oder 30 Jahren. Damals war man mehr oder weniger einem spezifischen Genre verpflichtet, das ist heute nicht mehr der Fall. Es gibt heute viele Fotograf:innen, die sowohl journalistisch arbeiten als auch künstlerisch. Wenn man früher künstlerisch gearbeitet hat, dann war man in der Angewandten Fotografie ein bisschen verpönt, und umgekehrt war es natürlich genauso. Diese Grenzen sind heute, Gott sei Dank, nicht mehr da. Es hat sicher auch ein bisschen mit der Akademisierung der Fotografie zu tun, an den Hochschule geht die Entwicklung weg vom Handwerklichen und man denkt viel mehr über Konzepte und künstlerische Strategien nach. Diese alte Trennung zwischen den Richtungen hat sich aufgelöst und das ist auch gut so.

Kommen wir mal auf photography unlimited e.V. zu sprechen. Wie ist Ihre Connection zu dem Verein und zu den p: berlin laboratories?

Ich bin durch einen kleinen Artikel im Magazin PHOTONEWS auf den Verein und die Werkstatt aufmerksam geworden. Da ging es um die neue Digitalisierungsstation und ich dachte beim Lesen, das ist eigentlich genau das, was ich mir immer gewünscht habe. Wir haben natürlich bei uns an der Hochschule auch Möglichkeiten, zu digitalisieren – aber dort sitze ich pro Bild mehrere Minuten und in der Summe war mir das immer zu viel Zeitaufwand. Daher habe ich mich sofort für einen der Workshops angemeldet. Einige Zeit später bin ich dann mal eine Woche lang in Berlin gewesen und habe ganz viele Digitalisate an der Station angefertigt. Ich möchte Teile meines umfangreichen Archivs digitalisieren, das sowohl Kleinbild-schwarzweiß Filme, angefangen in den 1970er-Jahren, als auch Farbnegativfilme und Dias enthält – insgesamt eine Menge an Material und eine große Aufgabe.

 

Das heißt, Sie haben den Workshop mit der Einweisung an der Station gemacht und dann auch daran gearbeitet. Wie war denn die Arbeit an der Station?

Der Workshop war zwei Monate vorher und ich habe aufgrund dieser Erfahrung alles vorbereitet. Man muss alles gut vorbereiten, damit man vor Ort zügig arbeiten kann und nicht so viele Formatwechsel hat. Das Arbeiten an der Station war toll. Ich hatte eine ganze Woche Zeit und ich war ganz alleine in der Werkstatt. Niemand hat mich gestört, es war ein zügiges und gutes Arbeiten. Ich finde es hilfreich, dass es den Verein Photography unlimited e.V. gibt, der sich so für die Förderung der künstlerischen und freien Fotografie einsetzt. Denn die wenigsten können es sich heute leisten, für einen einzelnen Scan 80 Euro auszugeben und hier bekommen alle die Möglichkeit, diese besondere Technologie zu nutzen.

 

Haben Sie als jemand, der über viel Erfahrung verfügt und auch in der Lehre tätig ist, einen Rat für für junge Fotografinnen und Fotografen?

Ich glaube, heute darf man nicht zu schmalspurig unterwegs sein und sich nur auf ein bestimmtes Gebiet konzentrieren. Man muss sich breit aufstellen, die Genregrenzen offenhalten und vor allem ein hohes Maß an Bildkompetenz erwerben – also auch theoretisches Wissen über Fotografie und die Fähigkeit, gute Konzepte zu entwickeln. Vor allem muss man aber immer neugierig bleiben und seinen Geist füttern. Die interessantesten Inspirationen kommen oft gar nicht aus der Fotografie, sondern aus ganz anderen Bereichen wie Literatur, Film, Musik. Es ist wichtig, immer aus allen möglichen Quellen zu schöpfen.

 

Haben Sie derzeit noch weitere Pläne, neben der Digitalisierung Ihres Archives?

Ja, das Digitalisieren ist natürlich nur ein Randbereich. Es wäre furchtbar, wenn ich jetzt so eine Kellerassel würde. Es macht mir sehr viel Spaß, jetzt nicht mehr so angewandt arbeiten zu müssen. Ich bin sozusagen frei von all den Verwertungszusammenhängen und kann jetzt Dinge geschehen lassen und schauen, was mir begegnet. Diese Freiheit, die genieße ich sehr und ich koste sie auch sehr aus.

 

Gibt es ein konkretes Projekt, an dem Sie gerade arbeiten?

Ich arbeite gerade an einer Geschichte über die spanische Stadt Valencia. Ich bin durch eine Erasmus-Kooperation unserer Hochschule auf die Stadt aufmerksam geworden und bin auch öfter dort gewesen. Ich habe dann herausgefunden, dass der extrem prägende schweizerisch-amerikanische Fotograf Robert Frank in den 1950er Jahren auch eine Zeit in Valencia gelebt hat. Frank war zu der Zeit sehr gefragt, aber als er in Valencia war, wollte er dort einen anderen Ansatz verfolgen, gewissermaßen eine Pause vom fotografischen Tagesgeschäft machen. Er hat also nicht das fotografiert, was von ihm verlangt oder erwartet wurde, sondern hat einfach mit seiner Familie dort gelebt, ist einkaufen und spazieren gegangen und hat diese Eindrücke ganz frei und ungezwungen eingefangen. Das fand ich einen schönen Ansatz und vor zwei Jahren habe ich ebenda auch angefangen, so etwas zu machen. Ich will natürlich nicht Robert Frank kopieren, aber ich habe gemerkt, dass man mit dieser Art zu Fotografieren zu ganz überraschenden Ergebnissen kommt. Die sind vielleicht nicht für jedermann sofort verstehbar. Aber das macht ja nichts, denn ich mache das in erster Linie für mich, und diese Freiheit fühlt sich sehr gut an.

 

Interview: Sven Stienen

 

Noch bis zum 26. Mai 2023 findet eine Ausstellung des Pixelprojekt_Ruhrgebiet@Herne mit Bildern von Hermann Dornhege statt.

Webseite Hermann Dornhege
Pixelprojekt_Ruhrgebiet

"Jenseits der Grenzen"Ausstellung von Johanna-Maria Fritz

Donnerstag, 23. Februar 2023
Johanna-Maria Fritz wohnt offiziell in Berlin - in Wirklichkeit aber ist sie das ganze Jahr über unterwegs. Ihre Arbeiten wurden u.a. im Spiegel, der Zeit, National Geographic und Newsweek China veröffentlicht. Dafür wurde sie mit dem Inge-Morath-Preis, dem Lotto Brandenburg Preis und dem VG-Bild Stipendium ausgezeichnet.

Seit bald zehn Jahren bereist Johanna-Maria Fritz als Fotografin die Welt. Ihre Motive findet die Berlinerin in Krisen, Konflikten, zerfallenden Staaten, bei verfolgten Minderheiten, an den Rändern der Gesellschaft. Weil sich dort, wo die meisten Menschen nie hinblicken, das Wahrhaftige manifestiert. „Dort erlebe ich Menschen, die von ihren eigenen Problemen absorbiert sind und nie gelernt haben, nach unseren Maßstäben zu posieren“, erklärt sie.

Fritz hat Porträts von Taliban-Männern in Teppiche weben lassen. Gefertigt von Mädchen, denen die Islamisten das Lernen und damit das Hoffen verbieten. Vermeintliche Heldenbilder, die tatsächlich die Unmenschlichkeit der Islamisten illustrieren.

Im Frühjahr 2022 war sie eine der ersten Fotojournalistinnen in der Ukraine, hat unter anderem in Butscha und dem Donbas fotografiert. Mit ihrer Arbeit aus dem Krieg tritt sie den Beweis an, dass journalistische Dokumentation hohen ästhetischen Ansprüchen genügen, dass Schönheit das Schreckliche sogar noch akzentuieren kann. Es sind moderne Ikonen.

Den neueren Werken werden in der Ausstellung zwei ältere Serien gegenübergestellt, die als langfristige Kunstprojekte entstanden sind. Fotos von „Hexen“ in Rumänien und Zirkusartistinnen in muslimisch geprägten Ländern. Motive wie Traumlandschaften voller Kontraste, dabei von einer intimen Nähe, die Johanna-Maria Fritz gerade in prekären Situationen aufzubauen im Stande ist.

Text von Thore Schröder

Vita:
Johanna-Maria Fritz wohnt offiziell in Berlin – in Wirklichkeit aber ist sie das ganze Jahr über unterwegs. Studiert hat sie Fotografie an der Ostkreuzschule und ist seit Anfang 2019 Mitglied der gleichnamigen Agentur. Ihre Arbeiten wurden u.a. im Spiegel, der Zeit, National Geographic und Newsweek China veröffentlicht. Dafür wurde sie mit dem Inge-Morath-Preis, dem Lotto Brandenburg Preis und dem VG-Bild Stipendium ausgezeichnet. Ausgestellt hat sie schon auf der ganzen Welt: Von Australien über Frankreich, Deutschland und der Schweiz sowie auch in China und in den USA.

https://www.artco-gallery.com
http://www.johannamariafritz.com

Einige der Arbeiten in der Ausstellungen wurden in den p: berlin laboratories produziert.

"Wir sind nicht an Oberflächlichkeit interessiert"Modefotografin Rachel Israela im Interview

Freitag, 17. Februar 2023
Die Fotografin Rachel Israela gehört in den p: berlin laboratories zu den Nutzer:innen der ersten Stunde. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen bei p: berlin, ihre Arbeit als Fashion-Fotografin und über Diversity in der Branche.

Du bist regelmäßig in der Werkstatt von p: berlin. Woran arbeitest du dort und welche Arbeitsbereiche nutzt du am häufigsten?

Rachel Israela: Ich bin seit der Eröffnung der Werkstatt regelmäßig dort und mache alles, vom Scannen am Flextight Scanner über Drucke für Ausstellungen bis zum Color Print Lab mit der RA4-Maschine, die ich in letzter Zeit häufig nutze. Außerdem habe ich auch bereits die neue Digitalisierungsstation genutzt.  

Wie waren deine bisherigen Erfahrungen in der Werkstatt? Funktioniert das Arbeiten dort gut für dich?  

Ich kenne Alexander schon sehr lange und kann mit ihm in der Werkstatt gut arbeiten. Wir sitzen oft auch einfach zusammen, unterhalten uns und trinken mal einen Wein – es ist also eine sehr entspannte und vertraute Atmosphäre. Insgesamt kann ich in der Werkstatt sehr produktiv sein, weil ich dort immer zur Ruhe komme. Man wird kaum gestört und kommt so richtig ins Arbeiten. Manchmal trifft man auch andere Leute, mit denen man sich austauschen kann oder gemeinsam Pause macht. Insgesamt mag ich die Atmosphäre dort sehr und arbeite sehr gern dort.  

Du hast gerade gesagt, dass du oft an der RA4-Entwicklungsmaschine arbeitest. Bevorzugst du diesen Prozess gegenüber dem Scannen? Wo liegen die Unterschiede und was macht die Techniken für dich aus?  

Das Arbeiten an der RA4-Maschine ist ein ganz anderer Prozess, quasi die ursprüngliche Technik. Denn diese Art der Entwicklung hat es ja bereits lange vor dem Scannen gegeben und sie hat eine ganz andere haptische Qualität. Man kann andere Tiefen in den Farben erreichen, man kann selber an den Farben feilen, filtern und pre-flashen, wobei dem Bild ein bestimmter Grundton gegeben wird. So lassen sich zum Beispiel Hauttöne viel besser ausarbeiten. Außerdem kann ich damit das Colorgrading machen, bevor ich am Computer sitze. Das funktioniert mit dem Scanner nicht, weil dort mit einem Laser das Korn an sich eingescannt wird, wodurch eine ganz andere Schärfe entsteht als wenn ich das Negativ auf Papier bringe. Das ist auch etwas, das ich daran extrem schön finde: Dass die Bilder nicht einfach irgendwann wertlos auf dem Rechner landen, sondern dass man sich wirklich mit der Möglichkeit des Negativs und des Prozesses beschäftigt. Das ist die Kunst und es hat auch etwas sehr handwerkliches, weil ich wie ein Tischler ein Objekt schaffe und nicht nur eine Datei.

Du nutzt die Werkstatt zum Selbstkostenpreis und kannst dort auf modernstes Equipment zugreifen – wie siehst du als Fotografierende den Verein p: berlin und seine Arbeit?

Ich finde es total genial und ich schätze die Arbeit, die in dem Projekt steckt. Die Fotobranche kann eine ziemliche Ellenbogenbranche sein und die Preise für alles steigen kontinuierlich an. Dadurch ist es für viele Leute inzwischen kaum noch möglich, auf diese Art und Weise zu arbeiten. Viele steigen direkt auf die Digitalfotografie um, weil das viel kostengünstiger ist. Gleichzeitig gibt es kaum noch Freiräume, um an persönlichen Projekten zu arbeiten. Daher finde ich es sehr schön, dass es mit p: berlin eine Organisation gibt, die Fotografierende unterstützt und sich dafür einsetzt, dass alle Techniken ihre Existenzberechtigung haben und zugänglich bleiben.

Worum geht es bei deiner eigenen Fotografie? 

Ich arbeite hauptsächlich im Bereich Mode und Porträt und kombiniere das auch gern. Meinen Stil würde ich als sehr ruhig und kinematografisch beschreiben. Ich nutze meist eine Mittelformatkamera und versuche, wenn ich Porträts mache, immer eine persönliche Verbindung zu den Protagonist:innen aufzubauen. Ich recherchiere im Vorfeld zu den Personen und führe auch längere Gespräche. Das liegt mir eher, als reinzukommen und im Schnelldurchgang ein paar Fotos zu schießen. Außerdem arbeite ich seit zwei Jahren mit meinem Partner Fede Reyes zusammen. Wir waren früher in der gleichen Agentur, darüber haben wir uns kennengelernt, und arbeiten jetzt als Fotoduo Studio Reyes & Israela  gemeinsam.  

Gibt es etwas bestimmtes, das du festzuhalten versuchst? Lässt sich ein roter Faden erkennen, der deine Arbeiten durchzieht? 

Wir versuchen einfach immer, eine gewisse Tiefe in unseren Themen zu haben. Wenn wir Fashion machen, wollen wir nicht einfach nur irgendwelche Klamotten oder schönen Leute fotografieren, sondern wir suchen immer eine Story, die wir erzählen können. Wir sind nicht so sehr an Oberflächlichkeit interessiert.  

Kannst du ein Beispiel nennen? 

Es wird heute viel über Diversität gesprochen, aber oft steckt wenig dahinter. Wir legen immer sehr viel Wert darauf, dass nicht nur vor der Kamera Diversität stattfindet, sondern auch in unserem Team. Wir wollen niemanden als Token benutzen, wenn wir Bipoc oder Menschen aus der Queer-Szene fotografieren, sondern Vielfalt auch in unserer Arbeit leben. Und dazu gehört auch, dass wir uns für Models interessieren, die etwas zu sagen haben oder eine Geschichte repräsentieren und nicht nur “Bambi-Models”.  

Könnt ihr euch mit diesem Ansatz im kommerziellen Umfeld der Modebranche durchsetzen oder ist es manchmal schwierig, die eigenen Ansprüche und die Interessen der Kunden zu vereinbaren?  

Es beinhaltet auf jeden Fall, sehr viel in die Richtung zu Pushen. Wir versuchen immer, unseren Kunden den Ansatz so gut es geht zu erklären.  Aber heute wird es einfacher und ist oft auch explizit gewünscht, sich mit Themen wie Diversität auseinanderzusetzen. Deutschland hinkt da vielleicht etwas hinterher, aber international ist es mittlerweile eigentlich etabliert. Das größte Problem in der Zusammenarbeit mit kommerziellen Kunden ist für mich eigentlich, dass man immer wegen der eigenen Bildsprache gebucht wird, das meiste dann aber doch schon vorher entschieden ist. Wir versuchen trotzdem immer, soweit wie möglich unseren künstlerischen Gedanken durchzusetzen.  

Wie ist es, wenn man mit seinem Partner zusammenarbeitet? Habt ihr eine strikte Arbeitsteilung, inspiriert ihr euch gegenseitig?  

Es funktioniert bei uns extrem gut. Wir müssen manchmal aufpassen, dass wir nicht rund um die Uhr arbeiten, sondern uns auch mal eine Auszeit nehmen und etwas komplett anderes machen. Und bei der Arbeit machen wir eigentlich alles zusammen, wir haben nichts zwischen uns aufgeteilt. Von den Moods bis zum Fotografieren am Set machen wir beide alles und ergänzen uns dabei sehr gut. Wenn zum Beispiel einer von uns gerade völlig fokussiert ist und nur durch den Sucher schaut und der andere etwas neues entdeckt, tauschen wir einfach kurz die Kameras und schon entstehen neue Perspektiven und Ideen. Wir arbeiten dann quasi mit zwei Gehirnen und vier Augen, das ist immer sehr cool.  

Woran arbeitet ihr gerade, gibt es Projekte, auf die wir uns in Zukunft freuen dürfen? 

Wir planen gerade eine neue Porträtreihe. Mein Partner kommt aus Mexiko City und wir wollen Leute aus Latein- und Mesoamerika porträtieren, die hier in Berlin leben.  Darauf freuen wir uns schon und das wird sicher spannend.  

 

Interview: Sven Stienen

 

Vita: Rachel Israela ist eine Porträt- und Modefotografin, die in Berlin und Mexiko-Stadt lebt und arbeitet. Sie war mehrere Jahre Teil eines Musik- und Designkollektivs mit Schwerpunkt auf elektronischer Musik, mit dem sie an zahlreichen Projekten und Ausstellungen weltweit aktiv war. Außerdem ist sie als Foto-Agentin für die Licensing Agency Connected Archives tätig.

Seit 2020 arbeiten Rachel Israela und Fede Reyes (Studio Reyes & Israela) als multimediales Künstlerduo mit den Schwerpunkten Fotografie, bewegte Bilder und Lichtinstallationen.

http://rachel-israela.de
https://www.connected-archives.com/-/galleries/photographer/rachel-israela

Analoge ArbeitsweltenFotograf Martin Weinhold im Interview

Freitag, 17. Februar 2023
Martin Weinhold ist schon lange im Geschäft. Er hat bereits als Kameramann beim TV gearbeitet und fotografiert seit über 15 Jahren die Arbeitswelt in Kanada. Basis seiner Arbeit: sein analoges Labor, in dem er die Kunst der Filmentwicklung und des Printens auf höchstem Niveau betreibt. Im Interview spricht er über seine Arbeit als Fotograf und im Labor, sowie über den Workshop, den er 2023 in der p: berlin academy geben wird.

Was ist dein Background und was machst du im Bereich der Fotografie?  

Martin Weinhold: Ich bin über Umwege zur Fotografie gekommen. Ich habe das lange werden wollen, bin dann aber sehr konsequent an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig abgelehnt worden. Deshalb  habe ich nach einer Alternative gesucht und bin zur UdK gekommen, wo ich Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation studiert habe. In der Zeit  fotografierte ich weiter, aber das lief eher auf einem Nebengleis. Mein Hauptberuf und Broterwerb war tatsächlich Kameramann. 

Du warst beim Fernsehen?  

Ja, ich habe sehr lange beim Privatfernsehen als Kameramann gearbeitet. Der Umschwung zur Fotografie ist über die Abschlussarbeit meines Studiums gekommen, das ja eigentlich als Alternative zur Fotografie gedacht gewesen war. Ich habe im Studium zwar weiterhin mit dem Bild zu tun gehabt, aber eben nicht mehr als Bildautor. Meine Diplomarbeit habe ich 2001 zum Thema Individualität in der Porträtfotografie geschrieben und  mich dabei so sehr in das Thema verbissen, dass es dadurch zum Rückfall gekommen ist. Als ich mit dem Diplom fertig war, wollte ich nicht mehr in die Werbung gehen oder in einer Pressestelle arbeiten, sondern ich bin zur Fotografie zurückgekehrt. 

Was passierte dann?  

Eine Zeit lang habe ich parallel TV und Fotografie gemacht, aber 2008 bin ich endgültig zur Fotografie gewechselt und habe das Fernsehen hinter mir gelassen. Heute arbeite ich als selbständiger Fotograf. 

Was ist dein inhaltlicher Schwerpunkt in der Fotografie? 

Wenn es freie Arbeiten sind, also die, die mir am meisten am Herzen liegen, dann geht es hauptsächlich um Porträts. Man könnte das, was ich mache, auch “kontextualisiertes Porträt” nennen. Ich interessiere mich für sozial-dokumentarische Fotografie und will wissen, wo die Menschen leben und wie die Umgebung sie prägt. Das ist für mich das spannendste Thema, wenn ich frei arbeiten kann. Was Auftragsfotografie anbelangt, geht es aber auch meist um Menschendarstellungen, also Porträts für Firmen und teilweise Industriefotografie. Da bin ich natürlich auch durch meine freien Arbeiten hingelangt, die haben mich in den Bereich Industrie gebracht, weil mein Thema seit vielen Jahren Industrie, Arbeit und Beruf ist.  

Dein Schwerpunkt sind also Porträts im Bereich Arbeit und dort vornehmlich Industrie?  

Porträts sind ein Schwerpunkt, aber die Arbeit kann die Darstellung der ganzen Firma umfassen, von der Außendarstellung der Gebäude bis zu Porträts der Mitarbeiter:innen. Dabei hilft mir natürlich der werbliche Hintergrund aus dem Studium. Ich biete das als Paket an, von der Konzeption bis zur Ausarbeitung der Bilder. Neben diesem Standbein gibt es außerdem noch den Bereich Privatporträt, das mache ich analog auf Film, es ist aber eher eine Nische. Und neuerdings, seit 2018, schreibe ich auch Texte und habe 2022 zum ersten Mal ein komplettes Buch rausgebracht, wo Bild und Text von mir waren. Das war eine Auftragsarbeit für die Evangelische Schulstiftung, 160 Seiten Vorstellungen von Schulgründern in Deutschland.  

Sehr vielfältig, spannend! Du arbeitest auch regelmäßig in der Werkstatt von p: berlin – was machst du dort und welche Geräte nutzt du häufig? 

Die Werkstatt ist eine fantastische Gelegenheit für mich. Ich arbeite seit 15 Jahren an meinem größten Projekt, quasi mein “Lebenswerk”, und zwar auf Film im Mittelformat. Diese Bilder muss ich digitalisieren für alle möglichen Anwendungen, für den Druck, für die Darstellung im Internet. Auch wenn ich weiter meine eigenen Abzüge im Labor mache, ist es allein bei der Menge des Materials schon notwendig zu digitalisieren. Das ist der häufigste Anlass, warum ich zu p: berlin nach Oberschöneweide komme und unglaublich dankbar bin, dass es für Künstler dort eine Möglichkeit gibt, so professionell zu digitalisieren. 

Wie sieht dein Arbeitsprozess aus?  

Ich benutze hauptsächlich den Hasselblad-Scanner und neuerdings auch vermehrt die Phase-One-Digitalisierungsstation. Ich komme in der Regel extrem penibel vorbereitet in die Werkstatt, habe meine Kontaktbögen und die dazugehörige Negative dabei. Die Bildnummern sind vorher ausgesucht und dann nutze ich den ganzen Tag und gehe die wesentlichen Motive der einzelnen Filme durch. 

Was ist für dich der wichtigste Unterschied zwischen dem Scanner und der Digitalisierungsstation? 

Maßgeblich das Tempo. Ich habe mir natürlich auch die Qualität genau angeguckt, dabei sind mir aber keine Unterschiede aufgefallen. Die Probe aufs Exempel steht da aber für mich noch bevor, wenn ich einmal von einem Digitalisat drucken würde. Ich habe mit Alexander schon sehr große Drucke von den Hasselblad-Scans gemacht und die sind exzellent geworden. Die haben meine Erwartung noch übertroffen. Das habe ich jetzt mit der neuen Digitalisierungsstation noch nicht gemacht. 

Würdest du sagen, dass du neben dem Fotografieren  was Druck angeht, mittlerweile erfahren bist oder  eine besondere Expertise hast? 

Ich habe eine Expertise, was den Druck und den Prozess in der Dunkelkammer anbelangt. Mein Fotolabor ist über viele Jahre aufgebaut, es ist jetzt sehr ausgefeilt und exklusiv. Was den digitalen Druck anbelangt, da bin ich ehrlich gesagt dankbar, dass ich das bei p: berlin mit Alexander gemeinsam machen kann, denn hier habe ich viel weniger Erfahrung. 

Was ist für dich das Besondere an der Arbeit in deiner Dunkelkammer und warum hast du dich für analoge Fotografie entschieden? 

Ich habe mit meinem eigenen Labor wirklich Glück gehabt, weil es sehr groß ist, was viele Möglichkeiten eröffnet. Es erstreckt sich über zwei Räume und knapp 40 Quadratmeter. Das bedeutet, dass ich eine saubere Trennung zwischen Nass- und Trockenprozess machen kann. Das hilft beim fleckenlosen Arbeiten, ich habe weniger Staub und Verunreinigungen und kann so hervorragende Bilder abziehen. Die Langsamkeit der Arbeit in der Dunkelkammer ist für mich nicht unbedingt ein Nachteil, ich sehe das eher als einen für den Prozess wichtigen Widerstand. Und so habe ich über die Jahre die Dunkelkammer immer weiter verfeinert, z.b. eine bessere Abschattung gegen Streulicht eingerichtet und die Chemikalien optimiert, mit denen ich entwickle. Mir fallen natürlich noch tausend Sachen ein, die ich noch optimieren muss, aber ich denke, es ist inzwischen eine sehr gute Dunkelkammer geworden.  

Wo hast du dir dieses Wissen angegeignet? Bist du in dem Bereich Autodidakt oder hast du eine Ausbildung erhalten? 

Während meines Studiums an der UdK hat Fotografie eher konkret anwendungsbezogen eine Rolle gespielt. Da ging es eher darum, das richtige Bild für den jeweiligen Zweck machen zu können. Viel Wissen rund um das Fotografieren habe ich von Kindheit an gelernt, das hat mich schon immer fasziniert und ich war in Kursen und Fotoclubs. Später habe ich mir dann persönliche Mentoren gesucht, um von ihnen zu lernen.  

Wer waren diese Mentoren?  

In der jüngsten Vergangenheit habe ich tatsächlich bei Wolfgang Moersch in Köln einen exklusiven Einzelworkshop gemacht. Er ist eine Koryphäe im Bereich der Dunkelkammerarbeit und so einen Workshop wollte ich seit langem machen. Als ich in Toronto war, hatte ich auch einen sehr guten Mentor, Greg Edwards, der aus den USA nach Kanada gekommen ist und sich für mich erstaunlich viel Zeit genommen hat. Außerdem habe ich regelmäßig Kontakt zu Marc Stache, einem der Fotolaborspezialisten von Fotoimpex.  

Wie bist du nach Kanada gekommen?  

Ich wollte zum Thema Arbeit fotografieren und hatte Probleme, das Thema hier in Deutschland anzugehen. Ich stand mir selber im Weg, mir hat die kritische Distanz gefehlt. Zu der Zeit, im Sommer 2005, habe ich noch bei Sat1 als Kameramann gearbeitet und es gab eine totale Auftragsflaute. Da hat mir eine Freundin von der UdK vorgeschlagen, sie nach Toronto zu begleiten, wo sie in einem Künstlerhaus vorübergehend eine Wohnung bezogen hatte. Das war die erste Reise nach Kanada und ich fand es ehrlich gesagt furchtbar. Ich fand Toronto grauenhaft und wollte eigentlich schon zurückfliegen, aber dann habe ich die Leute dort kennengelernt und so eine Ahnung bekommen, was Kanada für mich sein könnte. Die Kanadier waren für mich immer fremd und gleichzeitig vertraut genug. Und ein Jahr später ist der Funke übergesprungen und ich hatte erste Fototermine dort und es lief sehr viel besser als jemals zuvor in Deutschland. Die Menschen in Kanada sind bei dem Thema “Arbeit” unkomplizierter, es gibt weniger Statusdenken. Gleichzeitig habe ich mit einer wohltuenden Distanz auf das Thema geblickt und es war generell einfacher, sich das als Außenstehender anzusehen, man kann dann objektiver beobachten. 

Und diese Serie über Arbeit ist dein privates Projekt, eine Herzensangelegenheit?  

Die Grenzen sind da fließend – ich mache das Projekt jetzt seit 15 Jahren und es gab immer auch Partner und Kooperationen. Aber die Initiative ist immer von mir ausgegangen und es gab nie einen direkten Auftrag. 

Kommen wir mal zu dem Workshop, den du bei p: berlin leiten wirst. Ist das dein erster Workshop oder hast du schon Erfahrungen in dem Bereich? 

Nein, bis jetzt bin ich nur Teilnehmer gewesen und habe mir Wissen vermitteln lassen. Es ist jetzt also das erste Mal, dass ich selbst einen Workshop gebe.  

Worum geht es in dem Workshop? 

Ich bin dazu seit längerem im Austausch mit Alexander und wir haben jetzt zwei verschiedene Varianten konzipiert. Die erste ist ein Workshop für Einsteiger:innen, die zwar analoge Fotografie bereits kennen, aber die Ergebnisse nicht selber entwickeln und bearbeiten können. Denen können wir in dem Workshop die Möglichkeit geben, dass sie die Dunkelkammer kennenlernen: Wie funktioniert das grundsätzlich, wo sind die Unterschiede zur digitalen Arbeit und welche besonderen Möglichkeiten gibt es in dem Prozess? Das wäre ein Einstieg, bei dem es grundsätzlich um die Verarbeitung von Schwarzweiß-Positivmaterial geht. Die Filmentwicklung ist nicht dabei, weil wir das als Tagesworkshop konzipiert haben und das den Rahmen sprengen würde. Wir gehen also davon aus, dass die Teilnehmenden das Filmmaterial selber mitbringen. Die zweite Variante ist ein Verfeinerungsworkshop für Leute, die bereits in der Dunkelkammer arbeiten und ihre Ergebnisse noch verbessern möchten. Da geht es dann um Grauwerte, Aufspreizung, Probleme in der Schattenzeichnung oder bei den Lichtern. Das wäre dann eher ein Fortgeschrittenenworkshop. Insgesamt wird das Angebot das Erste im Bereich Dunkelkammer bei p: berlin sein.  

Was steht neben den Workshops bei dir in der nächsten Zukunft an?  

Ich breche bald wieder zu einer Expeditionsreise nach Kanada auf. Das Kanada-Projekt ist inzwischen sehr weit gediehen. Die Idee ist einerseits, das ganze Land zu beschreiben und gleichzeitig alle Berufe des 21. Jahrhunderts mit in die Sammlung aufzunehmen. Entsprechend episch ist das auch als Werk. Bei dem ursprünglichen Projekt, Kanada zu beschreiben, fehlen zwei Territorien, der äußerste Nordwesten mit Yukon und den Nordwestterritorien. Das wird aber nicht dieses Jahr anstehen. Was dieses Jahr ansteht, ist eine Neuentwicklung: Ich arbeite jetzt mit mehreren kanadischen Universitäten zusammen. Sie interessieren sich sehr für mein Projekt, weil es die größte Sammlung an aktuellen Arbeitsporträts in Nordamerika ist. Während der Corona-Pandemie ist dann die Idee entstanden, dass wir Protagonisten, bei denen ich vor zehn oder mehr Jahren war, wieder aufsuchen und ein zweites Porträt machen. Aber diesmal kommt eine Feldforscherin mit, eine Soziologin, die zusätzlich zu meiner Fotografie Interviews zu den Erwerbsbiografien der Leute führen wird. Daraus soll dann eine große interaktive Veröffentlichung im Internet werden, auf der man frei recherchieren kann.  

Ist derzeit schon klar, wann und in welcher Form das Projekt publiziert werden wird? 

Normalerweise bin ich immer sehr vorsichtig mit Aussagen zu Publikationen, weil es da oft viele Hürden und Verzögerungen gibt. Bei dem Projekt mit den kanadischen Universitäten ist die Veröffentlichung aber Teil der Fördersumme gewesen und dementsprechend sind die Kosten für die Publikation bereits fest eingeplant. Die interaktive Internetseite soll 2025 fertig sein und mit etwas Glück wird es auch noch ein Buch mit den erwähnten Vorher-Nachher-Porträts geben.

Interview: Sven Stienen

Hier geht es zu den Workshops
Alle Workshops von Martin Weinhold finden auf deutsch und englisch statt.

Vita: Weinhold lebt seit seiner Kindheit in Berlin. Seit 2006 ist Kanada zur zweiten Heimat geworden. Martin Weinhold studierte an der Berliner UdK und schloss 2001 mit einem Diplom in Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation ab. Seine Abschlussarbeit handelt von der Individualität in der Porträtfotografie und stellt die Weichen für seinen weiteren Werdegang. Heute unterrichtet Martin Weinhold u.a. auch als Dozent für visuelle Kommunikation. Nach langjähriger Tätigkeit als Kameramann wechselte er 2008 vollständig zur Fotografie. Künstlerisch setzt sich Martin Weinhold besonders intensiv mit dem sozialdokumentarischen Porträt auseinander. Sein WorkSpace Canada Project bestimmt seit mehr als 15 Jahren sein kreatives Schaffen.

Wer mehr zu Martin Weinhold wissen möchte, findet weitere Infos und Fotografien unter:
www.martinweinhold.com
www.workspacecanadaproject.com

Praxisbezug als FirmenphilosophieWie Novoflex Lösungen für künstlerisch tätige Fotograf:innen entwickelt

Montag, 23. Januar 2023
In Memmingen im Allgäu produziert Novoflex seit nunmehr 70 Jahren hochwertiges und innovatives Fotozubehör. Das aktuelle Produktportfolio umfasst Geräte für die Panorama- und die Makrofotografie, Stative, Kugelköpfe, Objektivadapter und mehr. Im Interview erzählt Andreas Marx, fototechnischer Leiter bei Novoflex, wie der Innovations- und Produktionsprozess abläuft.

Du bist p: berlin Fördermitglied und arbeitest für Novoflex – was genau machst du dort und wo liegt Deine Expertise?

Andreas Marx: Ich habe eine Ausbildung an der Bayerischen Staatslehranstalt für Fotografie absolviert und 1983 die Meisterprüfung gemacht. In Memmingen habe ich mich mit einem Studio für Werbe- und Industriefotografie selbstständig gemacht. Memmingen ist nicht groß, daher wollte ich mich nicht zu stark spezialisieren und habe mein Portfolio breit gehalten. Viel Produkt-, aber auch Architektur- und Industriefotografie. Auf der Meisterschule habe ich meine Frau kennengelernt, die Porträtfotografin ist und hier in Memmingen ein Studio hat. Zusammen konnten wir das gesamte fotografische Spektrum abdecken. Außerdem hatten wir noch ein Farblabor, das eine Zeit ganz gut lief, bis sich die Digitalfotografie immer mehr durchgesetzt hat.

 

Wie bist du dann zu Novoflex gekommen?

Das ursprüngliche Firmengebäude von Novoflex befand sich direkt gegenüber von meinem Studio und so ergab es sich, dass ich oft dort war und immer wieder eigene Ideen mitgebracht habe, die wir dann umzusetzen versuchten. Ich hatte Ideen für Teile und kleine Problemlöser beim Fotografieren und wir probierten dann damit herum. So entstand eine enge Verbindung mit dem Unternehmen und um die Jahrtausendwende war ich bereits regelmäßig als Begleiter mit Novoflex auf der Photokina und habe am Stand Kund:innen beraten. Vor zehn Jahren bin ich fest bei Novoflex eingestiegen.

 

Novoflex ist Fördermitglied bei photography unlimited e.V. – wie kam es dazu und was hältst du persönlich vom Verein und seiner Arbeit?

Ich bin über einen Workshop auf den Verein gekommen. Gemeinsam mit Ralph Rosenbauer habe ich einen Workshop zur Architekturfotografie gegeben. Ich habe Equipment von uns mitgebracht, welches wir im Workshop eingesetzt haben.

 

War das dein erster Kontakt mit dem Verein?

Nein, zu dem Zeitpunkt kannte ich euch schon. Ich fand die Idee von photography unlimited super, eine Werkstatt für Künstler:innen mit dem ganzen Equipment anzubieten. Besonders schön finde ich, dass bei euch auch die alten Techniken, die analoge Fotografie, noch vertreten sind und man mit den alten Geräten arbeiten kann. Für meine Arbeit nutze ich den Film zwar kaum noch – ich habe viele Jahre meines Lebens in der Dunkelkammer verbracht und habe nicht mehr so viel Freude daran – aber ich finde es toll, dass diese Technik noch genutzt werden kann und so hoffentlich eine Überlebenschance bekommt. Aber auch die digitale Ausstattung bei euch finde ich großartig. Als ich das alles kennengelernt habe, dachte ich gleich, das müssen wir auf jeden Fall unterstützen und da war die Fördermitgliedschaft eine gute Option. Seitdem ist Novoflex dabei.

 

Du kommst selber aus der fotografischen Praxis. Bringst du deine Perspektive als Fotograf in die Entwicklungsprozesse bei Novoflex ein?

Ja, und das ist mir und der Firma auch ganz wichtig. Ich glaube, das ist auch ein Grund, warum wir erfolgreich sind: Unsere Produkte kommen aus der Praxis und sind praxistauglich. Das ist natürlich nur zum Teil mein Verdienst, früher hat bereits der Seniorchef von Novoflex sehr viel Wert daraufgelegt, diesen Praxisbezug zu bewahren, es gehört also schon immer zur Firmenphilosophie. Seit ich hier als fototechnischer Leiter fest angestellt bin, kann ich selbst mehr Entwicklungen anstoßen und sinnvolle Produkte für Profi-Fotograf:innen entwickeln. Dabei helfen mir auch meine vielen Kontakte, die ich bis heute in die Fotograf:innenszene pflege. Ich bin unter anderem Mitglied im PIC-Verband und im Zentralverband der Fotografen und war mehrere Jahre Obermeister in der Innung hier vor Ort. Auf diesen Wegen versuche ich auch, noch mehr Bewusstsein dafür zu schaffen – denn obwohl der Name Novoflex den meisten bekannt ist, wissen viele erstaunlicherweise noch nicht genau, was wir eigentlich machen.

 

Was ist es denn genau, was ihr macht? Was macht die Produkte und das Unternehmen Novoflex so besonders?

Grundsätzlich versuchen wir ein Stück weiterzudenken als die anderen. Wir werden die Fotografie natürlich nicht neu erfinden, aber wir können schauen, wie man bestehende Technik besser machen kann – das ist unser Anspruch. Für mich persönlich ist meine Arbeit bei Novoflex eng mit dem Aufkommen der Digitalfotografie verknüpft. Ich habe viel Produktfotografie gemacht und immer eine Sinar Fachkamera genutzt. Da gab es damals ein digitales Rückteil für die Kamera, das aber ca. 70.000 Mark kostete – und „sagenhafte“ drei Megapixel hatte. Aus damaliger Sicht war das natürlich ganz toll, heute wissen wir alle, dass es einfach lächerlich war und mir ist sofort klar gewesen, dass sich so eine Investition in meinem Studio nicht amortisieren wird. Also bin ich zu Novoflex gegangen und wir haben nach Lösungen gesucht. Es gab damals einigermaßen bezahlbare Kleinbild-Spiegelreflexkameras, die ebenfalls drei Megapixel hatten, bei denen man aber keine Tilt-Shift-Verstellung vornehmen konnte. Wir wollten also ein Gerät entwickeln, mit dem man wie mit einer Fachkamera arbeiten kann, das aber als Rückteil mit einer normalen Spiegelreflexkamera funktioniert. So ist das Balpro T/S entstanden, das wir heute immer noch im Sortiment haben. Ich benutze es selber bis heute, und kann da quasi jede beliebige Digitalkamera anschließen. Das ist auch ein Prinzip bei uns: Wir bauen keine Spezialteile für eine spezielle Kamera, sondern unsere Teile sind immer möglichst universell, wie ein Baukastensystem. Ich hatte im Laufe der Jahre eine Canon, dann eine Nikon und jetzt eine Fuji-Mittelformatkamera, und ich musste immer nur für ein paar Euro die entsprechenden Adapter kaufen und konnte sie mit dem System benutzen.

 

Wie läuft der Entwicklungsprozess bei euch ab?

Entweder wir entwickeln selber Ideen oder Kund:innen kommen auf uns zu und haben Anregungen. Oft fehlt ein bestimmtes Teil für eine Problemlösung oder es gibt bereits etwas von anderen Herstellern und die Qualität stimmt einfach nicht. Dabei gilt es natürlich, abzuwägen, ob sich die Entwicklung eines bestimmten Teils lohnt, ob es genügend Kund:innen gibt, die sich dafür interessieren könnten. Wenn wir der Meinung sind, dass dem so ist, dann fangen wir an, die Idee weiterzuentwickeln. Wir haben ein Team mit mir als Fotografen und zwei Konstrukteuren, die das technische Know-How haben.

 

Wie geht ihr dann konkret vor?

Zuerst schauen wir, was wir schon im Programm haben und was man abwandeln oder erweitern könnte. So haben wir zum Beispiel zuletzt einen 3-Wege-Neiger entwickelt. Wir hatten bereits Kugelkopf-Stative im Sortiment, weil das für Natur-, Landschafts- sowie Porträtfotografie sehr gut funktioniert. Aber für Architekturfotografie ist ein Kugelkopf nicht optimal, weil die einzelnen Achsen nicht getrennt einzurichten sind. Ich habe schon lange dafür plädiert, dass wir einen 3-Wege-Neiger brauchen und nun haben wir mit der Entwicklung begonnen. Leider ist es sehr viel mühsamer und aufwendiger als gedacht. Vor Kurzem habe ich den ersten Prototypen bekommen und war damit noch nicht zufrieden – wir arbeiten jetzt weiter, bis wir den Ansprüchen von Profi-Fotograf:innen zu 100% genügen.

 

Was waren denn die Probleme bei der Entwicklung?

Das größte „Problem“ ist wahrscheinlich unser eigener Anspruch, denn im Endeffekt besteht der Neiger aus einem Schneckengetriebe und das ist billig zu bauen, wenn einfach mit relativ großen Toleranzen gearbeitet und anschließend jede Menge Fett reinpumpt wird. Dann läuft das eine Zeit lang gut, aber irgendwann altert das Fett und damit läuft das Gerät nicht mehr geschmeidig. Unser Anspruch ist aber, immer extrem langlebige und hochqualitative Teile zu bauen, die auch reparierbar sind. Wir konnten bis vor zwei Jahren noch Geräte wieder herstellen, die wir vor 50 Jahren verkauft haben. Das muss eine Firma erst mal schaffen. Mittlerweile sind irgendwann die Ersatzteile aufgebraucht und der Mitarbeiter, der die Mängel beheben konnte, ist schon seit langem in Rente. Aber 20 Jahre alte Geräte können wir immer noch problemlos reparieren. Das ist unser Anspruch, aber das macht es dann manchmal nicht leichter.

 

Das klingt nach einem Prozess, bei dem es oft vor und zurück geht und bei dem man auch mit Rückschlägen umgehen muss …

Absolut, ja. Man muss manchmal schwere Entscheidungen treffen. Ein gutes Beispiel ist das Fokus-Stacking. (Da werden mehrere Bilder mit verschiedenen scharfen Ebenen erstellt und baut diese dann hinterher in der Software zusammen, wodurch ein Bild mit extrem großer Tiefenschärfe entsteht). Das können mittlerweile manche Kameras auch intern, aber nicht mit der Genauigkeit und so akkurat, wie es für unsere Kund:innen wichtig ist. Wir haben für den Makrobereich einen Einstellschlitten entwickelt, ein hochpräzises Teil. Das war eine extrem aufwendige Entwicklung, vor allem von der Steuerung und Programmierung her. Da gab es in der Entwicklung einen Punkt, an dem wir uns hingesetzt haben und entscheiden mussten: Entweder stampfen wir das Projekt ein oder wir ziehen es durch. Letztlich haben wir uns entschieden, es durchzuziehen, und das präziseste Gerät entwickelt, das man in diesem Bereich bauen kann. 2018 auf der Photokina wurde der Castel-Micro vorgestellt und unsere Erwartungshaltung war:  Wenn wir davon 20 Stück im Jahr verkaufen, dann werden wir irgendwann wenigstens die Kosten wieder reinholen. Es stellte sich schnell heraus: Die Möglichkeiten des Gerätes sind sehr interessant und es verkauft sich richtig gut. Dieses Beispiel zeigt, man muss auch Risiken eingehen, in Vorleistung gehen und es gibt nie die Sicherheit, dass es klappt. Aber wir versuchen immer, die Sachen bis zum Ende durchzuziehen und keine Kompromisse bei der Qualität zu machen. Das zeichnet uns aus und das hat bisher immer funktioniert.

Ist es eine Balance zwischen wirtschaftlichem Denken und einer Verpflichtung der Fotografie gegenüber?

Ja durchaus. Jede Firma muss wirtschaftlich sein, sonst geht es nicht lange. Aber als reiner Familienbetrieb haben wir nicht den Druck von Aktionärsversammlungen, wo jedes Vierteljahr bessere Zahlen präsentiert werden müssen. Wir können, wenn etwas entwickeln wollen, mal in einem Quartal mit Plus-Minus-Null rausgehen oder mal einen Monat weniger Gewinn machen und dafür dann im nächsten etwas mehr. Solange es unterm Strich passt und alle unsere Mitarbeitenden ihr Geld kriegen, ist eigentlich alles gut.


Produziert ihr alles in Deutschland?

Wir produzieren hier im Werk in Memmingen praktisch 95 % unserer Sachen selber, . Das kann man sich auch anschauen, wenn man vorbeikommt. Ein paar Sachen, die es eben nicht in Deutschland oder Europa gibt, die müssen wir zukaufen. Zum Beispiel die Carbonbeine von Stativen.Die in Deutschland zu produzieren, ist nicht möglich. Aber alles, was an Metall- und Fräsarbeiten anfällt, egal ob Stahl, Aluminium oder Messing, machen wir in Eigenleistung.

 

Wohin wird die Zukunft von Novoflex gehen? Was sind die nächsten Projekte, an denen ihr arbeitet?

Ich kann verkünden, dass Novoflex ab sofort auch Lichttechnik anbietet. Das haben wir viele Jahre nicht im Angebot gehabt, aber wir haben jetzt die Firma HEDLER übernommen. Das ist auch ein traditionsreicher deutscher Hersteller von LED-Studiolicht für Foto und Film. Wir wollen dieses Thema auch weiterentwickeln und sind bereits dabei, zusammen mit HEDLER und anderen Partnern ein Lichtsystem für extreme Makrofotografie zu entwickeln. Die ersten Prototypen dafür sind bereits fertig und wir werden das sicher demnächst zeigen. Also das Thema Licht wird in Zukunft neben den anderen Hauptbereichen Stativ, Adaptertechnik, Panorama- und Makrofotografie auch eine große Rolle bei uns spielen.